Samstag, 1. Juni 2024

Wird Giorgia Meloni zur Königsmacherin?

Nach ihrer Wahl im September 2022 waren die Befürchtungen im In- und Ausland groß. Vor einer „Wölfin im Schafspelz“ warnten Politbeobachter in Brüssel. Befürchtet wurde, dass Italiens rechteste Regierung seit Ende des Zweiten Weltkriegs einen europaskeptischen Kurs einschlagen könnte. Doch 21 Monate nach Melonis Regierungsantritt sind diese Bedenken weitgehend verflogen. Vor der EU-Wahl im Juni gilt Meloni als entscheidend im Machtpoker in Brüssel.

Giorgia Meloni gilt als entscheidend im Machtpoker in Brüssel. - Foto: © ANSA / FABIO CIMAGLIA / Z9A

Als „Königsmacherin“, die die Fäden des politischen Spiels bei der Bildung der nächsten EU-Kommission zieht, betrachtet man Meloni sowohl in Rom, als auch in den europäischen Hauptstädten. Die römische Politikerin entpuppte sich während ihrer Amtszeit als effiziente Staatsfrau, die sogar die Sympathie der größten Skeptiker in Brüssel gewinnen konnte.

In Brüssel wird Meloni inzwischen geradezu umworben. Mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen pflegt sie eine sehr freundschaftliche Beziehung. Dank des anhaltenden Erfolgs ihrer Partei „Brüder Italiens“ (Fdi) könnte Meloni zur Schlüsselfigur im Machtpoker in Brüssel werden. Berührungsängste gibt es in Brüssel – zumindest vonseiten der Konservativen – jedenfalls keine mehr.

Andere Regierungsmehrheit in der EU möglich

Rechtspopulistischen und europaskeptischen Parteien werden bei der EU-Wahl starke Zugewinne vorhergesagt. Meloni, deren „Brüder Italiens“ (FdI) künftig eine der größten Delegationen im EU-Parlament stellen wird, spricht bereits offen von „einer anderen Regierungsmehrheit“ in der EU, bestehend aus der Europäischen Volkspartei (EVP), europaskeptischen und rechtspopulistischen Kräften. Bisher wurde die EU-Politik von einer informellen Allianz aus den pro-europäischen Parteien EVP, den Sozialdemokraten (S&D) sowie den Liberalen (Renew) bestimmt.

Im Ringen um ihre Wiederwahl hat die aus der EVP kommende von der Leyen ihre Fühler in Richtung Meloni ausgestreckt, die wiederum eine Kooperation mit der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen (Rassemblement National) nicht ganz ausschließt. Diese ist aktuell in der Fraktion ID (Identität und Demokratie) mit der FPÖ verbündet, der wahrscheinlichen Siegerin der EU-Wahl in Österreich. Meloni ist Vorsitzende der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der zweiten rechtsgerichteten Fraktion im EU-Parlament, der unter anderen auch die polnische PiS, die spanische Vox und die Schwedendemokraten angehören.

Le Pen macht Meloni vielversprechendes Angebot

Nachdem der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah, mit verharmlosenden Worten über die Waffen-SS für einen Eklat gesorgt hat, sah Le Pen den Augenblick gekommen, um sich von den langjährigen Verbündeten zu trennen. Mit klarer Mehrheit stimmte die ID-Fraktion dafür, alle AfD-Abgeordneten auszuschließen. Die FPÖ stimmte gegen den Ausschluss. Zugleich machte die Französin nach dem Rauswurf der AfD Meloni ein Angebot: „Dies ist der Moment, um uns zu vereinen. Wenn wir es schaffen, werden wir die zweite Fraktion des Europäischen Parlaments. Ich denke, wir sollten uns eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen“, meinte Le Pen.

Ob dies die nächste Entwicklung in Brüssel sein wird – ein geeinter rechter Block unter Einbeziehung wichtiger rechter Parteien – ist noch unklar. In Brüssel, wo die Planspiele in den Reihen der Rechten ein Dauerthema sind, beobachtet man die Annäherung von Le Pen und Meloni skeptisch. Meloni spricht jedenfalls im Wahlkampf klare Worte. Sie wolle dafür sorgen, dass nach Italien auch in der EU die Linke in der Opposition lande. Ihr Ziel ist klar: Sie will in Brüssel eine Mehrheit von Mitte-Rechts-Kräften erreichen, genau wie derzeit in Rom. Denn laut Meloni ist der Kurs eindeutig: Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise, der Migrationskrise und des Ukraine-Krieges könnten die linken und liberalen Kräfte starke Stimmenverluste hinnehmen müssen.

„Meloni befindet sich in einer strategischen Position und will daraus politischen Profit schlagen. Ich glaube nicht, dass sie sich zu einer Allianz mit Le Pen entschließen wird. Ihre Partei hat sich als zuverlässige Regierungskraft etabliert und hat in Europa viel an Ansehen gewonnen. Meloni wird diese Situation bestmöglich nutzen, um in Brüssel eine entscheidende Rolle zu spielen“, sagte Giovanni Orsina, Politologe an der römischen LUISS-Universität.

Auch der Politologe Roberto D'Alimonte sieht Meloni als Spielmacherin in Brüssel. „Vor 5 Jahren war die sogenannte Ursula-Mehrheit in Brüssel auch mit dem entscheidenden Beitrag der linkspopulistischen Fünf Sterne-Bewegung auf die Beine gestellt worden, die damals noch sehr stark war. Die Fünf Sterne-Bewegung wird diesmal nicht denselben Erfolg haben. Daher ist von der Leyen stark von den Stimmen der Meloni-Partei abhängig, will sie für ein zweites Mandat im Amt bleiben“, meinte D'Alimonte.

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