Samstag, 4. Mai 2024

LIVE | Die SVP-Landesversammlung – Der Machtwechsel an der Parteispitze

Die SVP hat in den vergangenen Monaten und Jahren weniger durch ihre Schlagkraft und ihre Visionen geglänzt, sondern mehr durch Streitereien und internen Grabenkämpfen. Das will man nun ändern. Am heutigen Samstag will die SVP ein neues Kapitel aufschlagen – mit einem Wechsel an der Parteispitze. STOL ist vor Ort und berichtet LIVE.

Die SVP will sich heute im Meraner Kursaal erneuern und zu alten Glanzzeiten zurückfinden. - Video: stol

Eine historische Wahl-Niederlage, hohe Stimmenverluste, Grabenkämpfe und Intrigen: Die Südtiroler Volkspartei befindet sich derzeit nicht gerade in ihrer Blütezeit. Ganz im Gegenteil: Sie durchlebt die schwerste Krise seit ihrer Gründung vor fast genau 79 Jahren.

Nun will man die Wende herbeiführen. Am heutigen Samstag wird im Meraner Kursaal die SVP-Spitze neu gewählt. Philipp Achammer gibt nach 10 Jahren das Zepter ab. Der 59-jährige Dieter Steger soll es nun richten.

STOL ist LIVE vor Ort:

Es geht los. Wie jedes Mal wird auch die 66. Landesversammlung mit dem Einzug der „Edelweißmusig“ und dem „Bozner Bergsteigerlied“ und „Dem Land Tirol die Treue“ eröffnet.





Der Kursaal in Meran ist gut gefüllt.

Pircher: „Unsere Politik des Ausgleichs und der Vernunft ist alternativlos“

Nun kündigt Parteisekretär Martin Pircher das Tagesprogramm an und lässt die Landtagswahl vom Oktober Revue passieren: „Diese Wahl hat die politische Landschaft in Südtirol stark verändert.“ Und es herrsche vielerorts Ratlosigkeit, was die politische Entwicklung anbelangt. „Die Botschaft, eine Politik der Vernunft und des Ausgleichs sei alternativenlos, funktioniert nicht mehr. Machen wir uns da nichts vor und dazu herrscht Ratlosigkeit auch bei mir“, so der SVP-Parteisekretär. Umso wichtiger sei es, bei Aussagen wie jene von Jürgen Wirth Anderlan Haltung zu zeigen.


Ein hoher Gast im Kursaal: Außenminister Antonio Tajani (links) mit EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann (Mitte) und SVP-Obmann Philipp Achammer.



In der 1. Reihe (von links): Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Landeshauptmann des Bundelandes Tirol Anton Mattle, Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti und der Landtagspräsident Arnold Schuler.


Foto: © DLife



Foto: © DLife

Tajani: „Europa eint uns und trennt uns nicht“

Nun spricht der italienische Außenminister Antonio Tajani: Mit „Guten Morgen Südtiroler Volkspartei“, beginnt er seine Rede. Die SVP habe bislang immer Südtirol gut verwaltet und auch in Rom trete die Partei stets für die Autonomie und die Belange Südtirols ein. Was die Zukunft anbelangt, so brauche es nicht weniger, sondern mehr Europa. Man trete als SVP und Forza Italia gemeinsam zur anstehenden Europawahl an, weil man die gleichen Werte teile und dieselben Ziele verfolge, so Tajani.


Antonio Tajani am Rednerpult. - Foto: © DLife



Beide Parteien wüssten, dass es große Herausforderungen gibt, man brauche nur an den demografischen Wandel denken, so Tajani. „Es braucht diesbezüglich dringend Lösungen, die der neuen Realität gerecht werden“, so der Außenminister und Forza-Italia-Chef (Hier lesen Sie ein ausführliches Interview mit Tajani).

„Wir müssen aber noch stärker auf Europa setzen“, sagte er: „Europa eint uns und trennt uns nicht, wie einige Parteien immer wieder propagieren.“


Antonio Tajani (links) und Herbert Dorfmann. - Foto: © DLife

Dorfmann: „Es gibt eine Heimat über der Heimat – und das ist Europa“

Nun spricht der Südtiroler EU-Parlamentarier und SVP-Kandidat für die anstehenden EU-Wahlen im Juni, Herbert Dorfmann: „Ich habe einen unglaublichen Rückhalt aus der Partei für meine Wieder-Kandidatur gespürt.“ Daher trete er nun zum 3. Mal für die Wahl des EU-Parlamentes an, so Dorfmann. „Zudem habe ich nach wie vor die Begeisterung für die Arbeit im EU-Parlament.“ Es sei ein Privileg, Südtirol in Europa vertreten zu dürfen, so der Eisacktaler.


Herbert Dorfmann am Rednerpult. - Foto: © DLife



Es müsse aber verstärkt gelingen, eine Identität für Europa zu schaffen. „Identität schafft Werte.“ Man müsse es schaffen, dass die Bürger in Europa stolz darauf sind, Europäer zu sein, so Dorfmann. „Natürlich fühlen wir uns hier bei uns vor allem als Südtiroler, aber es gibt noch eine Heimat über unserer Heimat.“ Und das sei Europa. „Das müssen wir in den Köpfen der Bürger verankern.

Es werde immer wieder kritisiert, dass die EU vieles verspreche, aber wenig umsetze. „Das stimmt aber nicht“, so Dorfmann. „Man braucht nur an die EU-Osterweiterung vor 20 Jahren und die Entwicklung in diesen Ländern denken.“ Genau das mache die Europäische Union aus.

Südtirol müsse dankbar sein, Teil Europas zu sein“

Was Wolf und Bär anbelangt, so müsse Europa mehr tun. „Es ist absurd, was derzeit passiert.“ Es müsse möglich sein können, dieses Problem vor Ort lösen zu können, so Dorfmann. Es brauche eine europäische Lösung.

Abgesehen davon, müsse Südtirol dankbar sein, dass es Teil Europas ist. „Wenn es Europa nicht gäbe, dann wären wir irgendeine Grenzregion.“ Natürlich könne man Entscheidungen der EU kritisieren. „Aber deswegen kann man nicht sagen, die Europäische Union macht keinen Sinn, wie es manche Populisten tun.“ Das seien 2 völlig unterschiedliche Dinge, so Dorfmann.

„Lang lebe die Partei!“

„Wir wollen zeigen, dass diese Südtiroler Volkspartei Wahlen gewinnen kann“, so Dorfmann. „Das ist das Ziel, aber das werden wir nur gemeinsam schaffen“, sagt er. „Lang lebe die Südtiroler Volkspartei.“

Ursula von der Leyen: „Bei den EU-Wahlen steht viel auf dem Spiel“

Nun folgen Video-Grußworte von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Bei den EU-Wahlen steht viel auf dem Spiel, für Südtirol und für Europa“, sagt sie. „Die Menschen verlangen Lösungen für die vielfachen Probleme vor Ort, aber auch Lösungen für die großen europäischen Probleme, wie Klimaschutz, Migration und Sicherheit.“


Ursula von der Leyen. - Foto: © DLife




Naturschutz, so von der Leyen, sei aktiver Heimatschutz. „Wo anders kann man das so erleben wie in Südtirol.“ Dies müsse man aber bewahren. „Auch unsere Kinder und Enkel wollen diese prachtvolle Natur noch genießen können.“ Wir müssen dies erreichen, aber mit einer Politik ohne Ideologie, sondern mit Pragmatismus. „Südtirol ist aber jetzt schon absolut spitze in vielen Dingen“, so Ursula von der Leyen.

„Schutzstatus für den Wolf wird abgesenkt“

Naturschutz, so von der Leyen, so aktiver Heimatschutz. „Wo anders kann man das so erleben wie in Südtirol.“ Dies müsse man aber bewahren. „Auch unsere Kinder und Enkel wollen diese prachtvolle Natur noch genießen können.“ Wir müssen dies erreichen, aber mit einer Politik ohne Ideologie, sondern mit Pragmatismus. „Südtirol ist aber jetzt schon absolut spitze in vielen Dingen“, so Ursula von der Leyen.

Südtirol ist gesegnet mit einer wunderschönen Landschaft.“ Doch man spüre den Druck der Veränderung. „Die Kosten steigen, auch die Lebenshaltungskosten“, so von der Leyen. „Wir haben auch beim Thema Wolf gehandelt“, sagt sie. „Wir können nicht einfach zusehen, wie Wölfe immer mehr zur Gefahr für die Schafe und für andere Tiere werden“, sagt sie. Daher: „Der Schutzstatus für den Wolf wird abgesenkt. Nicht der Mensch ist das Problem für den Wolf, sondern der Wolf ist das Problem für den Menschen.“

LH Kompatscher dankt Philipp Achammer

Nun richtet Landeshauptmann Arno Kompatscher einige Worte an den scheidenden SVP-Obmann Philipp Achammer: „Lieber Philipp, wir wollen kurz über dich sprechen und vor allem Danke sagen. Du hast die Partei in einer sehr schwierigen Situation übernommen. Die Partei war maßlos überschuldet und es galt die Schulden abzubauen, ohne staatliche Parteienfinanzierung – mit dem Anspruch, weiterhin eine Führungs- und Regierungspartei zu sein. Du hast persönlich für diese Schulden gebürgt. Auch das muss einmal gesagt werden“, so Kompatscher.


LH Arno Kompatscher richtet seine Worte an Philipp Achammer. - Foto: © DLife



„Dir ist es gelungen, die Partei in den schwierigen Phasen der vergangenen Jahre zusammenzuhalten.“ Das sei nicht immer leicht gewesen, so Kompatscher. „Auch mit mir hattest du es nicht immer leicht.“ Er werde aber auch weiterhin auf seine Unabhängigkeit pochen und diese einfordern, sagte Kompatscher in Richtung Dieter Steger, der später zum neuen Obmann gewählt werden soll.

„Diese Worte von mir sollen aber nun kein Abgesang sein. Philipp Achammer wird seine politische Tätigkeit weiterführen und ich bin überzeugt, du wirst in der Landesregierung und für die Partei weiterhin hervorragende Arbeit leisten.“


Philipp Achammer. - Foto: © DLife


Auch die langjährige Sekretärin der Partei, Margareth Greif, sein langjähriger Weggefährte Dietmar Pattis und die Landesrätin Magdalena Amhof, blickten auf die gemeinsame politische Zeit zurück und dankten Philipp Achammer für seine 10-jährige Tätigkeit als SVP-Obmann.


Foto: © DLife

Achammer: „Kämpft für dieses Konzept Volkspartei, es ist der richtige Weg!“

Nun spricht Philipp Achammer zum letzten Mal in seiner Funktion als SVP-Obmann zu den Delegierten im Meraner Kursaal: „Ich bin etwas erleichtert heute. Nicht, weil ich endlich diese Funktion abgeben kann. Ich habe mir aber letzthin oft eine Frage gestellt: Ich habe immer mein Bestes gegeben in den vergangenen 10 Jahren und ich habe sicherlich nicht alles richtig gemacht. Daher möchte ich mich bei denjenigen entschuldigen, die ich in enttäuscht habe. Aber ich war an jedem einzelnen Tag in diesen 10 Jahren stolz, Obmann der Südtiroler Volkspartei zu sein. Man muss nicht SVP-Obmann sein, sondern man darf es. Ich bin vom Konzept Sammelpartei höchst überzeugt und ich bin sicher, dass dies Zukunft hat. Wir müssen dafür kämpfen. Lasst euch nicht einschüchtern, aber werdet nicht leichtfertig.“


Achammers letzte Rede als Partei-Obmann. - Foto: © vs

„Wir als SVP und als Politiker dürfen keine Fähnchen im Wind sein“

Und Achammer weiter: „Wir müssen für den Ausgleich kämpfen und nicht gegeneinander. Aber dafür müssen in der Südtiroler Volkspartei einige Voraussetzungen gegeben sein: die Kompromissfähigkeit. Jeder in der Partei darf nicht nur für sich selbst zuständig sein, sondern für die gesamte Partei. Der Handschlag, den wir als SVP immer beschworen haben, eine neue Qualität erzielt. Unabhängigkeit: Unsere politische Linie darf nicht von irgendwelchen Interessensvertretungen bestimmt und beeinflusst sein und auch nicht von Medien. Wir als SVP und als Politiker dürfen keine Fähnchen im Wind sein. Es darf innerhalb der SVP keine Lagerbildung geben, wir müssen miteinander kämpfen und nicht gegeneinander. Wir müssen professionell für dieses Land sein, so Achammer. Es darf nur einen Leitsatz geben: Es geht um das Allgemeinwohl und nicht um das eigene Wohl. Verhindern wir uns bitte nicht gegenseitig. Wir müssen die Fähigsten und die Besten in unsere Partei holen.“


Philipp Achammer am Rednerpult. - Foto: © DLife

„Es ist unsere verdammte Pflicht, laut aufzurufen“


„Lieber Dieter“, sagt Achammer in Richtung seines Nachfolgers Dieter Steger, „ich werde immer konstruktiv mitarbeiten, damit die SVP eine gute Zukunft hat. Manchmal müssen wir auch Kante beweise und klar sein. Es ist unsere verdammte Pflicht, laut aufzurufen, wenn Landtagsabgeordnete sagen, dass Politiker korrupte Banditen sind und in den Steinbruch gehören.“ Damit spricht Achammer auf die rechtsextremen Aussagen beim FPÖ-Symposium von Jürgen Wirth Anderlan in Wien an.

Nach seiner Rede gibt es minutenlangen Applaus und Standing Ovations für den sichtlich gerührten Philipp Achammer. Er verabschiedet sich als Obmann mit den Worten: „Es lebe Südtirol, es lebe die Südtiroler Volkspartei.“


Applaus nach Achammers Rede. - Foto: © DLife

LH Kompatscher: „Die SVP ist die Partei der Autonomie, des Ausgleichs und eine Partei des europäischen Geistes“

Nun geht es weiter mit der Rede von Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Die SVP ist die Partei der Autonomie, des Ausgleichs und eine Partei des europäischen Geistes.“ Die Autonomie sei dynamisch. „Sie ist ständig auszubauen, zu verbessern und zu reparieren“, so Kompatscher. „Wir sind dran und es schaut gut aus.“


LH Arno Kompatscher. - Foto: © DLife



Gemeinsam mit den Trentiner Vertretern werde man die Autonomie verbessern und wieder ausbauen. „Bis zum Sommer wollen wir den Text fertig geschrieben haben“, sagt der Landeshauptmann. „Wir wollen das wieder zurückbekommen, was der Verfassungsgerichtshof in den vergangenen 20 Jahren weggenommen hat.“

„Viele haben hierzulande das Gefühl, abgehängt zu sein“

Man müsse aber auch die konkreten Probleme der Bürger in Südtirol lösen: „Viele haben hierzulande das Gefühl, abgehängt zu sein, sei es, was die Lebenshaltungskosten gibt oder die hohen Wohn- und Mietkosten“, so Kompatscher. „Dazu haben wir nun konkrete Lösungen im neuen Regierungsprogramm und wir müssen dies nun entschieden angehen.“ Um diese Probleme lösen zu können, müssten aber auch manche „Heiligen Kühe“ dran glauben, so der Landeshauptmann. Welche „Kühe“ er damit konkret meint, sagte er nicht.

Wahl der Parteispitze

Nun kommt es zum Höhepunkt der 66. Landesversammlung: Die Parteispitze wird neu gewählt.

Als Obmann stellt sich Dieter Steger der Wahl. Für seine Stellvertreter kandidieren Verena Tröger, Waltraud Deeg, Monika Reinthaler. Laut Parteistatut ist Daniel Alfreider als ladinischer Stellvertreter bereits gesetzt.

Vor seiner Wahl wandte sich der 59-Jährige Parlamentsabgeordnete Dieter Steger noch an die Delegierten im Meraner Kursaal: „Ich hätte nicht erwartet, noch einmal, nach 20 Jahren, vor euch zu stehen und für die Obmannschaft der SVP zu kandidieren“, so Steger.


Dieter Steger am Rednerpult. - Foto: © DLife


„Das war nicht in meiner Lebensplanung vorgesehen.“ Er sei aber immer wieder gefragt worden und habe sich gedacht, dass er nicht absagen könne, wenn die Partei ihn brauche. „Ich möchte meiner Partei etwas zurückgeben“, so Steger.

Foto: © DLife

Mattle: „Die SVP ist eine Partei der Mitte, genauso wie Tirol in der Mitte Europas ist“

Während die Stimmzähler die Stimmzettel auszählten, sprach noch der Landeshauptmann des Bundeslandes Tirol, Anton Mattle zu den SVP-Delegierten im Meraner Kursaal. „Es ist ein Heimspiel für einen Landeshauptmann aus Tirol hier in Meran“, sagte er. „Die SVP ist eine Partei der Mitte, genauso wie Tirol in der Mitte Europas ist.“ Die Volksparteien stünden für eine Politik des Ausgleichs und des Zusammenführens. „Dafür steht die SVP und dafür steht auch die ÖVP“, so Mattle.


Foto: © vs



Aber die Mitte werde immer schmäler und kleiner mit dem Auftreten von Extremisten auf der linken und rechten. „Dem gilt es entschieden entgegenzutreten“, so Mattle. „Das ist unser Ziel und dem werden wir uns stellen.“ Denn die klassischen Parteien hätten nach wie vor eine Zukunft.

Dieter Steger ist neuer SVP-Obmann

Nachdem Mattle seine Rede beendet hatte, stand das Ergebnis der Wahl fest: Dieter Steger wurde zum Nachfolger von Philipp Achammer und damit zum neuen Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP) gewählt – mit 95,47 Prozent der Delegiertenstimmen. (Hier lesen Sie mehr dazu).

Zu Stegers Stellvertreter für die kommenden 5 Jahre wurden gewählt: Daniel Alfreider (von der Landesversammlung per Akklamation bestätigt), Verena Tröger (182 Stimmen) und Waltraud Deeg (116 Stimmen).

sor/vs

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