Der Druckspezialist Durst mit 20 Niederlassungen weltweit ist ein Global Player. Einer, der 2020 große Wachstumspläne hatte. Doch die wurden jäh zunichte gemacht – wegen der Pandemie. Was folgte war ein Jahr zwischen Improvisation und Innovation. <BR /><BR /><BR /><i>Von Rainer Hilpold</i><BR /><BR /><BR /><b>2019 erwirtschaftete die Durst-Gruppe einen Umsatz von über 250 Millionen Euro. Wann war Ihnen klar, dass ein Wachstum heuer wohl nicht möglich sein wird?</b><BR />Christoph Gamper: Im März haben wir ziemlich schnell verstanden, dass wir uns von unserer Jahresplanung verabschieden müssen. Wir stellten um und fuhren von da an eigentlich nur mehr auf Sicht. Obwohl ich sagen muss, dass wir nicht völlig unvorbereitet in diese Coronakrise gegangen sind. Auch verfügten wir über ausreichend Reserven, sodass uns nicht ein Umkippen beim ersten Windstoß drohte. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wie kann man das verstehen: Haben Sie Corona kommen sehen?</b><BR />Gamper: Nein, das natürlich nicht. Aber wir sehen in unserer 7-Jahresplanung mehrere Szenarien vor. Ein Szenario mit herausragendem, eines mit moderatem Wachstum und ein stark negatives. Bei Letzterem, also dem Worst-Case-Szenario nehmen wir einen imaginären Feind an, der dafür sorgt, dass Durst in wichtigen Geschäftsfeldern Marktanteile verliert und das Volumen insgesamt stark schrumpft. Dieser imaginäre Feind kann, aber muss nicht zwangsläufig, ein neuer Mitbewerber sein. Auch äußere Veränderungen, zum Beispiel ein unerwarteter Technologiewandel oder plötzlich auftauchende Risiken in bestimmten Märkten, können ein solcher imaginärer Feind sein, der das Geschäft von Durst beeinträchtigt. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Ist Corona ein solcher imaginärer Feind, wie Sie ihn im Worst-Case-Szenario vorgesehen haben?</b><BR />Gamper: Wenn man aufs Ergebnis blickt, absolut. Sprich, bezogen auf die Umsatzrückgänge, die im zweistelligen Bereich liegen werden. Nur konnten wir niemals erahnen, dass so etwas wie die Coronakrise mit seinen weitreichenden Begleiterscheinungen kommen würde. Das war außerhalb jeglicher Vorstellungskraft. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie aufgrund von Corona einen Strategiewechsel vorgenommen?</b><BR />Gamper: Zwangsläufig, ja. Einerseits was die Geschäftsfelder der Durst betrifft. Der Bereich Außenwerbung und Großformatdruck für Flughäfen und den Messebereich brach um 70 Prozent ein und bewegt sich nach wie vor auf einem eher niedrigen Niveau. Dieses Minus mussten wir ausgleichen durch Zuwächse in anderen Segmenten und durch Neuentwicklungen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Sie sprechen das von Durst entwickelte Luftfiltersystem gegen krankmachende Aerosole an?</b><BR />Gamper: Genau, und die Herstellung von Masken. Durch diese Flexibilität in der Produktion konnten wir einen Teil der Verluste wettmachen. Andererseits traf uns Corona hart, was die Abläufe und Prozesse betrifft. Wir sind global tätig, wir müssen uns weltweit frei bewegen können – jederzeit.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-47169351_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>In Zeiten von Reisebeschränkungen unmöglich…</b><BR />Gamper: Das ist es, was uns auch jetzt noch am meisten zu schaffen macht. Unsere Mitarbeiter müssen die Anlagen vor Ort installieren, sie warten und wenn nötig reparieren. Auf Dauer kann man das nicht aus der Ferne erledigen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie eine Zwischenlösung für dieses Problem gefunden?</b><BR />Gamper: Wir haben ziemlich schnell damit begonnen, externe Mitarbeiter in den jeweiligen Zielmärkten unserer Geräte zu schulen – online versteht sich. Diese Mitarbeiter haben die Druckmaschinen dann in unserem Auftrag beim Kunden eingerichtet. Eine Notlösung, wie gesagt, auf die wir teilweise aber jetzt noch zurückgreifen müssen, weil es im Falle der USA für unser Technikteam extrem schwierig ist, überhaupt einzureisen. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass eben nicht alles via Videokonferenz auf digitalem Weg zu erledigen ist. Wir leben auch vom persönlichen Kontakt, Sie dürfen nicht vergessen, dass Druckmaschinen von Durst einen Wert von 500.000 Euro bis einigen Millionen Euro haben. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Viele Hersteller haben in diesem Jahr ihre Produktneuheiten reduziert oder verschoben. Wie war das bei Ihnen?</b><BR />Gamper: Wir haben einige Produkte trotzdem wie geplant lanciert, mit aufwändig produzierten Videos usw. Das klappte wirklich gut, bei den Online-Präsentationen schauten bis zu 5000 potenzielle Käufer zu, aber es ersetzt wie erwähnt nicht die direkte Vorstellung vor dem Kunden. Das kann man einfach nicht vergleichen. Üblicherweise nehmen wir an großen Branchenmessen teil, oder potenzielle Kunden kommen nach Brixen, um sich die Neuheiten selbst anzusehen. All das war nicht möglich.<BR /><BR /><BR /><b><BR />Wie hat sich die Führung des Unternehmens in Coronazeiten geändert?</b><BR />Gamper: Die Geschäftsleiter der weltweiten Filialen sind seit März nicht ein einziges Mal zusammengekommen, außer virtuell natürlich. Microsoft Teams ist unser ständiger Begleiter geworden. Wir haben über Videokonferenz effizient und zielgerichtet gearbeitet. Hätte mir vor Corona jemand gesagt, dass man über 700 Mitarbeiter rund um den Globus von zuhause aus führen kann, ich hätte ihn wohl für verrückt erklärt. Aber es geht tatsächlich.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-47168956_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Welche Auswirkungen hatte vor allem die Lockdown-Zeit auf Ihr Team?</b><BR />Gamper: Das war eines der Aha-Erlebnisse für mich in dieser Krise: die Dynamik im Team. Wir sind so eng zusammengewachsen, haben einen Innovationsgeist von innen heraus entwickelt, der unglaublich war. Wir haben neue Produktentwicklungen in einem Tempo vorangebracht, wie das in normalen Zeiten kaum möglich ist. Dieses verstärke Engagement in Forschung und Entwicklung wird uns spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 2021 großartige Ergebnisse einbringen, davon bin ich überzeugt. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wie haben Sie diesen Zusammenhalt gespürt?</b><BR />Gamper: Zum Beispiel haben einige Mitarbeiter nach dem Lockdown im Betrieb gekocht, Zeit miteinander verbracht, sich ausgetauscht – und zwar auf einer zutiefst menschlichen Ebene. Es bildete sich mit Corona ein neues Bewusstsein, ein neues Miteinander heraus.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Sie sind üblicherweise ständig in der ganzen Welt unterwegs. Wie war es für Sie, das fast ein ganzes Jahr lang nicht tun zu können?</b><BR />Gamper: Ich bin im März aus den USA zurückgekommen, dann ging´s direkt in den Lockdown. Seither habe ich nur eine einzige Geschäftsreise nach Polen gemacht, mehr war nicht möglich. So wenig unterwegs war ich bestimmt 20 Jahre nicht. Das war schon sehr ungewöhnlich für mich, immer in Südtirol zu sein. Die Berge sind zwar schön, aber ich bin nicht dafür gemacht, immer nur hier zu sein. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was waren für Sie Momente im Coronajahr, die Sie persönlich betroffen gemacht haben?</b><BR />Gamper: Ohne Frage die Schicksale einiger Mitarbeiter, die aufgrund von Reisebeschränkungen und Lockdowns in verschiedenen Ländern bis heute ihre Liebsten, also Partner und Familie, nicht wiedersehen konnten. Das sind Belastungen, die für jeden Menschen schwer auszuhalten sind.