Dazu gibt es die neue Kompetenz Umweltschutz samt Wildtiermanagement. Einschnitte im Minderheitenschutz sieht Obwexer nicht: „Noch nie wurde ein Landesgesetz im nationalen Interesse angefochten.“ Bei der Landtagswahl seien 2 Jahre Ansässigkeit „ausreichend“.<b><BR /><BR />Herr Obwexer, oberstes Ziel der Autonomiereform war die Wiederherstellung der nach Urteilen des Verfassungsgerichts ausgehöhlten Zuständigkeiten des Landes. Sie waren in die Verhandlungen eingebunden: Ziel erreicht?</b><BR />Prof. Walter Obwexer: Es erfolgt weitestgehend eine Wiederherstellung dessen, was Südtirol verloren hat. Hinzu kommt die neue Zuständigkeit für Umweltschutz samt Wildtiermanagement. Der Handel wird von sekundärer zu primärer Gesetzgebungskompetenz, und es wird eine Schutzklausel bei Änderungen am Autonomiestatut geben.<BR /><BR /><b>Kritiker der Reform führen ins Feld, dass das „nationale Interesse“ als Grenze der Südtiroler Gesetzgebung bleibt.</b><BR />Obwexer: Kein einziges Landesgesetz wurde je wegen Verletzung des nationalen Interesses aufgehoben. Diese Schranke wurde nie herangezogen, weil das nationale Interesse 2 Seiten hat – das Interesse des Staates, aber explizit auch den Schutz der Minderheiten. Es ist also ein zweischneidiges Schwert, das durchaus zu Südtirols Gunsten ausgehen kann. Viel wichtiger ist, dass andere Grenzen der Gesetzgebung wie wirtschaftlich-soziale Reformen fallen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-69347931_quote" /><BR /><BR /><b>Weil man sonst bei erster Gelegenheit wieder vor dem Verfassungsgericht landet?</b><BR />Obwexer: Die wirtschaftlich-sozialen Reformen des Staates waren oft Grund für Anfechtungen. Hinzu kamen andere Formen wie die staatliche Zuständigkeit für Wettbewerb und Zivilrecht. Es ist somit grundlegend, dass die Grenze der wirtschaftlich-sozialen Reformen fällt und dass man Zuständigkeiten im Rahmen der Wiederherstellung so definiert, dass sie der Judikatur des Verfassungsgerichts standhalten – etwa indem man bei der Zuständigkeit fürs Personal die Kollektivverträge mit einschließt.<BR /><BR /><b>Mit einer extensiveren Definition werden Südtirols Zuständigkeiten auch in Urbanistik und öffentlichen Arbeiten wiederhergestellt. Zudem erhalten Durchführungsbestimmungen der 6er- und 12er-Kommission koordinierende Funktion. Wie ist das zu verstehen?</b><BR />Obwexer: Durchführungsbestimmungen regeln Kompetenzen zwischen Staat und Land. Im Einvernehmen kann man festlegen, was zu einem Bereich dazugehört. Ein Beispiel könnten beim Wildtiermanagement die Entnahmepläne sein. Die 6er- und 12er-Kommission nimmt dies bereits wahr, doch es war umstritten, ob sie das darf.<BR /><BR /><embed id="dtext86-69347935_quote" /><BR /><BR /><b>Südtirol hat eine international abgesicherte Autonomie. Warum braucht es da eine innerstaatliche Schutzklausel?</b><BR />Obwexer: Die internationale Absicherung hat Südtirol sowieso bereits, und sie bietet einen relativ guten Schutz. Wenn das Paket geöffnet wird, besteht aber die Gefahr, dass dann auch andere Dinge untergebracht werden, die Südtirol nicht will. Mit der Klausel werden Änderungen zu Südtirols Lasten schwieriger werden. <BR /><BR /><b>Es gibt Zugeständnisse an die Italiener. Wer bei Landtagswahlen abstimmen will, muss 4 Jahre ansässig sein. Nun sollen 2 Jahre daraus werden.</b><BR /> Obwexer: Die Ansässigkeitsklausel sollte verhindern, dass das Wahlergebnis durch gezielte Zuwanderung verzerrt wird. Mit dem Berufsheer wird die Sorge relativ, und selbst wenn, reichen 2 Jahre, um den Zweck zu erreichen. Unter Ministerpräsident Lamberto Dini gab es in den 90er-Jahren bereits die Öffnung, dass 2 Jahre in Ordnung gingen. An dem wird die Autonomie keinen Schaden nehmen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-69347939_quote" /><BR /><BR /><b>Derzeit zählt für die Bildung der Landesregierung nur die Stärke der Sprachgruppen im Landtag laut Wahlergebnis. Künftig soll neben dieser Methode auch eine Zusammensetzung auf Basis der Sprachgruppenstärke bei der Volkszählung möglich sein.</b><BR />Obwexer: Es ist eine Kann-Bestimmung, kein Muss. Wenn die Italiener im Landtag unterrepräsentiert sind, kann der Landtag mit absoluter Mehrheit von 18 Stimmen festlegen, dass die Landesregierung auf Basis der Volkszählung gebildet wird. Ohne Zustimmung der deutschen Seite geht das aber nicht, weshalb man der Minderheit damit keinen Schutz nimmt. Es kann Druck der Italiener geben, aber das ist ein rein politischer Druck, den die Minderheit aushält und Teil des Regierungsdeals sein kann.<BR /><BR /><b>Unterm Strich Ihr Urteil?</b><BR />Obwexer: Positiv. Die Autonomie kommt aber wieder dorthin, wo sie 1992 stand, ohne dass das, was später dazukam, wie z.B. die Energie, wegkommt. Jeden Punkt einzeln zu bewerten, wäre der Tod der Reform. Auch 1969 wurde nicht jede der 137 Maßnahmen abgestimmt, sondern das Gesamte.<BR /><BR />Interview: Barbara Varesco