Wie er seine Stadt heute sieht, auf was er stolz ist, wie man Vater, Bauingenieur und Bürgermeister unter einen Hut bringt und ob er tatsächlich in Polit-Pension geht, das erzählt er im Interview.<BR /><BR /><b>Herr Griessmair, was überwiegt in den letzten Tagen als Bürgermeister: Wehmut oder Erleichterung?</b><BR />Roland Griessmair: Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich ist etwas Wehmut dabei, auch beim Gedanken, wie es dazu gekommen ist, dass ich nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidieren kann. Dass sich die Spielregeln im November so schnell geändert haben, hatte einen politischen Hintergrund, der vor allem in Bozen zu finden ist; und Bruneck lag mit auf dem Opfertisch. Aber es ist auch ein bisschen Erleichterung dabei. Das Bürgermeisteramt ist eine große Verantwortung und eine Aufgabe, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Deshalb habe ich vor elf Jahren auch lange gezögert, als ich von vielen ersucht wurde, zu kandidieren. Ich wusste, was das für mein Privat- und Familienleben und mein Berufsleben bedeuten wird – nämlich auch sehr viel Verzicht. Aber ich spüre vor allem auch Dankbarkeit. Ich bin seit 30 Jahren im Gemeinderat und habe Bruneck an vorderster Front mitgestalten dürfen. Vieles trägt meine Handschrift. Dafür bin ich dankbar. <BR /><BR /><b>Was macht Sie stolz, wenn Sie durch die Stadt gehen?</b><BR />Griessmair: Bruneck hat sich sehr verändert. Es ist keine Feuerwehrhalle mehr so wie vor 30 Jahren, kein Sportplatz, keine Schule, kein Probelokal. Prägend seit 2014 waren sicher das Eisstadion, der Techpark und auch das bis zum Schluss durchdachte Verkehrskonzept, von dem die einen sagen, es sei zu grün, und die anderen, dass es für den Autofahrer geschrieben ist. Damit ist es wohl genau in der Mitte angesiedelt, wo man sich in der Politik meist trifft. Auch im Bereich Wohnen, Soziales und Senioren wurde viel angestoßen und Samen gesät, deren Früchte man in den nächsten Jahren ernten kann. Deshalb würde ich sagen, es waren elf erfolgreiche Jahre für Bruneck. <BR /><b><BR />Also durchaus stolz?</b><BR />Griessmair: Das ist nie Verdienst einer Person, sondern ein Zusammenwirken vieler. Am meisten freut mich, dass unsere Stadt nicht gespalten ist, dass es ein gutes Auskommen miteinander gibt. Das sieht man auch im Gemeinderat, wo keine großen ideologischen Weltdiskussionen geführt, sondern themen- und sachbezogen gearbeitet und deshalb für die Stadt viel weitergebracht und umgesetzt wurde. Das war mir immer sehr wichtig. Natürlich braucht es dafür auch vernünftige Mehrheiten, sonst wird Politik leider schnell zur Selbstbeschäftigung und da zahlt die Bevölkerung drauf. Bruneck ist heute sicher eine Gemeinde zum Herzeigen. <BR /><BR /><b>Man sagt, Sie seien nicht der allergrößte Teamspieler und machen am liebsten alles selbst. Stimmt das?</b><BR />Griessmair: Politik muss Ziele vor Augen haben. Es braucht natürlich Diskussion und ein Miteinander, aber irgendwann müssen Entscheidungen getroffen werden. Es wird stimmen, dass ich ein bisschen viel auf mich konzentriert habe und dass ich etwas mehr delegieren hätte sollen. Vielleicht habe ich auch deshalb viel selbst gemacht, weil man nach so vielen Jahren in der Politik alle Wege kennt und es dann einfach schneller geht. <BR /><BR /><b>Umso größer ist die Lücke, die Sie hinterlassen. „Wikipedia von Bruneck“ oder „schneller als jede KI“ sagt man über Sie...</b><BR />Griessmair: Ich bin ja nicht aus der Welt, und ich werde alles für einen geordneten Übergang tun und Wissen und Informationen weitergeben. Ich bin grundsätzlich ein Befürworter der Mandatsbegrenzung bei 15 Jahren. Natürlich hätte ich gerne noch eine Amtsperiode gemacht, und ich bin auch sicher, dass die 15 Jahre wieder kommen werden. Es wird also immer Sachen geben, die man anderen überlassen muss. Meine größte Freude wäre, wenn die Samen, die ich gesät habe, zu schönen Bäumen werden. Wenn dann ein anderer das Eröffnungsband durchschneidet, dann passt das. <BR /><BR /><b>Auf was sind Sie weniger stolz, was ist nicht gelungen?</b><BR />Griessmair: Ich bin ein zielstrebiger und ehrgeiziger Mensch. Ich lasse nicht gerne zu, dass etwas gar nicht gelingt. Da knie ich mich schon so lange hinein, bis es eine Lösung gibt. Sicherlich habe ich einige enttäuscht, aber ich hoffe, dass meine Jahre als Bürgermeister mit dem Blick aufs Ganze bewertet werden, nicht auf Einzelentscheidungen. <BR /><BR /><b>Sie sind Vater von vier Kindern, die heute zwischen 12 und 19 Jahre alt sind, Bürgermeister und Bauingenieur. Wie bringt man das in 24 Stunden unter?</b><BR />Griessmair: Indem der Tag spätestens um 5 Uhr beginnt und selten vor 22 Uhr endet. Alles ist gut durchtaktet, da ist keine Zeit, mit jemandem einen Kaffee zu trinken. Mir war es aber immer wichtig, meinen Beruf nicht aufzugeben. Das macht unabhängiger und man lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Ich mache Politik nicht für mein Ego oder um meine Familie zu ernähren, sondern mit Begeisterung und Freude. Nachdem sich in der vergangenen Verwaltungsperiode zwei Mal die Spielregeln geändert haben – einmal beim Berufsausübungsverbot und dann bei der Reduzierung der Amtszeiten – fühle ich mich bestätigt, dass ich an meinem Beruf festgehalten habe. <BR /><BR /><b>Verstehen Sie die Kritik, die es gab, dass Sie zum einen Bürgermeister einer Stadt sind und zum anderen als Ingenieur auch teilweise Bauprojekte in dieser Stadt betreuen? </b><BR />Griessmair: Ich verstehe, dass es ein Angriffspunkt ist, aber ich glaube, mich immer sehr korrekt verhalten zu haben. Außerdem war die gesetzliche Lage klar, als ich erstmals kandidiert habe. Wäre meine Berufsausübung nicht erlaubt gewesen, wäre ich nicht als Bürgermeister angetreten. Erst der Verfassungsgerichtshof hat aus heiterem Himmel etwas in Frage gestellt, was bis dahin gesetzlich erlaubt war. Es hat keinen einzigen Verdacht einer Bevorteilung gegeben. Deshalb denke ich, dass von Bürgermeister Griessmair mehr zurückbleibt als diese Kritik. <BR /><BR /><b>Was ist zu kurz gekommen in den Jahren als Bürgermeister?</b><BR />Griessmair: Zuallererst sicher die Familie. Ich habe zwar immer darauf geachtet, mit der Familie zu frühstücken und beim Mittagstisch daheim zu sein, wenn die Kinder von der Schule kommen und viel zu erzählen haben. Aber sonst war ich schon wenig daheim. Zu kurz gekommen ist auch die eigene Freizeit. Die körperliche Fitness hat gelitten, auch das Kartenspiel mit Freunden und andere Unternehmungen. Auch der Beruf hat natürlich zurückstecken müssen... <BR /><BR /><b> ...also genug zu tun, jetzt ohne die Gemeindepolitik?</b><BR />Griessmair: Ja genau. Das alles soll jetzt Raum finden, und vielleicht schaffe ich es auch, nicht nur als begeisterter Fan im Hockeystadion zu stehen, sondern auch selbst wieder die Schlittschuhe anzuziehen und zumindest ein Mal pro Woche in einem Verein zu spielen. <BR /><b><BR />Es nimmt Ihnen aber niemand ab, dass nach 30 Jahren wirklich Schluss ist mit Politik....</b><BR />Griessmair: Das habe ich auch nie gesagt. Nach 30 Jahren schließe ich das Kapitel Gemeindepolitik ab und werde Mitglied beim Altbürgermeisterclub. Aber ich werde politisch interessiert bleiben, ob das in der Partei ist oder auf anderen Ebenen – ich schließe nichts aus, aber es gibt keinen konkreten Plan. Die Politik ist eine Passion, die man nicht wie eine Jacke ablegen kann.<BR /><BR /><b>Was wünschen Sie Ihrer Partei, der SVP, für die Wahl?</b><BR />Griessmair: Ich wünsche ihr klare Mehrheiten, dass sie den Bürgermeister stellt und mit den gewählten Gemeinderäten sachbezogen arbeiten kann. Es ist vieles da, das umgesetzt werden kann.<BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/suche/Abschieds-Interview" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Hier finden Sie weitere Abschieds-Interviews mit den scheidenden Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen.</a>