<b>Ihnen scheint die Ausbildung des Ärztenachwuchses besonders am Herzen zu liegen?</b><BR /><BR />Dr. Armin Pycha: Das stimmt – und es liegt an den Erfahrungen, die ich selber als junger Arzt gemacht habe. Ich weiß wie frustrierend es ist, wenn man als junger Arzt mit viel Enthusiasmus im Krankenhaus anfängt und dann nicht aus den Startlöchern kommt, weil man als Sekretär missbraucht wird und nur Schreibtischarbeit macht. Ich habe dann aber auch im Ausland die gegenteilige Erfahrung gemacht: Dort war die Ausbildung Chefsache und es hat sogar einen eigenen Ausbildungs-Oberarzt gegeben. Es wurde ein Programm erstellt, was in einem bestimmten Zeitraum zu erlernen und anzuwenden ist, wie viele Operationen eines bestimmten Types unter Anleitung durchzuführen sind, und das Ganze wurde überprüft... Und ich habe mir vorgenommen, wenn ich einmal etwas zu sagen habe, dann geht es in meiner Abteilung nach diesem Vorbild. <BR /><BR /><BR /><b>Das scheinen Sie sehr erfolgreich umzusetzen, schließlich ist Ihre Abteilung gerade erst als einzige in Italien und schon zum vierten Mal von der EBU RTPU-zertifiziert worden.</b><BR /><BR />Dr. Pycha: Das stimmt, wir dürfen uns als Urologie am Bozner Krankenhaus für die kommenden 5 Jahre zu den besten 54 Ausbildungszentren in den europäischen Mitgliedsländern der EBU – das steht für „European Board of Urlogy“ – zählen. RTPU steht dabei für „Residency Training Programms in Urology“ – auf Deutsch: Ausbildungsprogramme für die Facharztausbildung in der Urologie. Am Ende unserer Ausbildung steht der europäische Facharzt in Urologie. <BR /><BR /><BR /><b>Worauf legt die EBU Wert?</b><BR /><BR />Dr. Pycha: Ein Schwerpunkt ist die praxisnahe Ausbildung. Und das entspricht wie gesagt auch meiner Philosophie. Die EBU hat bestimmte Kennzahlen für die einzelnen Eingriffe, die vom Auszubildenden erreicht werden müssen. Es muss also genau dokumentiert werden, wer hat wann was operiert. Allerdings reicht es eben nicht, dass ein Verantwortlicher diese Dokumentation einreicht. Vielmehr kommt für die Zertifizierung eine Delegation in die Abteilung und redet mit mir als Primar und dann mit jedem einzelnen Auszubildenden unter vier Augen. Dabei werden auch die OP-Kennzahlen gegengecheckt. Die Entscheidung fällt dann auf dem EBU-Jahreskongress, auf dem die Kandidaten ihre Berichte abliefern und vom Kongress bewertet werden. <BR /><BR /><BR /><b>Wie muss man sich eine Ausbildungs-OP vorstellen?</b><BR /><BR />Dr. Pycha: Ich lege sehr großen Wert auf die Vorbereitung. Am Tag vor der OP wird im Team alles Wesentliche anhand der Röntgenbilder besprochen. Am Tag der OP erwarte ich vom Auszubildenden, dass er genau weiß, wen er vor sich hat, was er zu tun hat. Ist er nicht vorbereitet, operiert er nicht. Während der OP ist natürlich ein erfahrener Arzt anwesend. Das heißt, einerseits hat der Auszubildende bereits eine hohe Verantwortung, andererseits werden Fehler ausgeschlossen, denn der Auszubildende operiert ja nicht allein. Für den Patienten besteht also nie ein Risiko, und der junge Arzt bekommt Routine und kann aus – wohlgemerkt nicht begangenen – Fehlern lernen. <BR /><BR /><BR /><b>Wo ist der Haken?</b><BR /><BR />Dr. Pycha: Für den Auszubildenden gibt es keinen Haken. Allerdings dauert natürlich eine OP, die zwei erfahrene Operateure durchführen, weniger lang. Die Urologie gehört aufgrund der demografischen Entwicklung – Prostata- und Blasenkrebs sind beispielsweise Alterskarzinome – zu den „wachsenden“ Fächern. Gleichzeitig haben wir heute im Vergleich zu Vor-Corona 20 Prozent weniger OP-Kapazitäten, weil anderes Personal wie Anästhesisten fehlen. Sinkt die Kapazität noch weiter, können wir die Ausbildung nicht mehr garantieren, weil wir es uns dann nicht mehr leisten können, dass eine OP länger dauert. <BR /><BR /><BR /><b>Zurück zur Zertifizierung: Spricht sich eine solche beim Nachwuchs rum?</b><BR /><BR />Dr. Pycha: Selbstverständlich, wir haben mehr Bewerber als wir aufnehmen können. Und natürlich bleibt der ein oder andere dann auch nach der Ausbildung bei uns „hängen“.