Wenn Hannes Hörtnagl die Musikbox in seiner kleinen Wohnung in Unterperfuss aufdreht, steppt der Bär. Denn der 25-Jährige hat Musik für sein Leben gern. „Ich liebe es zu tanzen“, schwärmt er gegenüber der „Tiroler Tageszeitung. „Am Wochenende gehe ich gern in die Disco in unserer Nähe, treffe dort Freunde und trink’ etwas. Nur, wenn die Lieder gut sind, kann ich nicht lange still sitzen, da zieht es mich auf die Tanzfläche.“ Er habe eben nicht nur ein, sondern gleich „zwei Tanzbeine“.<BR /><BR />Und zwei gute Ohren zum Zuhören. Im Freundeskreis ist er ein gern gesehener Gast, der jedem Menschen vorurteilsfrei und freundlich begegnet. Und da Hörtnagl Musik und Freunde gleichermaßen liebt, filmt er so manche Tanzeinlagen von ihm und seiner großen Schwester Cindy mit dem Handy und schickt sie an ausgewählte Personen – „einfach so zur Aufheiterung“.<h3> Ausbildung und Job und trotzdem kein Gehalt</h3>Seine Fanbase ist groß, denn der junge Mann hat nicht nur den Groove, sondern auch eine große Menge an Charme und zu jeder Zeit gute Witze auf Lager. Schlechte Laune plage ihn selten, einzig, wenn ihn seine Schwester besucht, die im Nachbarhaus lebt. „Sie kommt und erinnert mich dann ans Staubsaugen“, lacht er, „und wer mag das schon?“<BR /><BR />Hörtnagls Arbeitsplatz ist in einem Restaurant in Innsbruck, seine Wohnung liegt im Bezirk Innsbruck-Land. Er fährt jeden Tag von Unterperfuss mit dem Bus ins Zentrum der Landeshauptstadt. Mit dieser Arbeit, die er leidenschaftlich gern verrichtet und bei der er den besten Holundersaft der Stadt serviert, könnte er seine kleine Wohnung aber nicht finanzieren – und auch sonst nichts in seinem ausgefüllten Leben.<h3> Für immer Kind</h3>Beschäftigte mit Behinderung können sich im Ausbildungsmodell der Lebenshilfe im abgestimmten Qualifikationsrahmen weiterbilden und offiziell nachweisen, in welchen Bereichen sie selbstständig arbeiten können, ähnlich einer Lehre – nur ohne Lehrlingsgehalt. Dies rührt daher, dass Hörtnagl die Behinderung Down-Syndrom hat und im Restaurant zusammen mit einer Assistenz arbeitet. So zählt seine Beschäftigung zu einer Kategorie wie „Betreuung“.<BR /><BR />Ein Missstand, den die EU-Behindertenrechtskonvention, die seit 2008 in Österreich in Kraft ist, hätte aufheben sollen. Demnach dürfte es auch keine Sonderschulen mehr geben. Hier hinkt Tirol (wie bereits oft berichtet) hinterher.<BR /><BR />Eine echte Behinderung für Menschen mit Beeinträchtigung ist vorrangig die sozialversicherungsrechtliche Lage: Menschen mit Behinderung sind nie erwachsene Mitbürger, sondern bleiben aus Sicht der Versicherung immer Kinder. Und ein Kind kann kein Gehalt beziehen. Hörtnagl ist ein arbeitendes, alleine lebendes Kind in Ausbildung und ohne Einkommen – ein Paradoxon der Inklusion.<BR /><BR />Ein Ausweg könnte folgendes Szenario sein: ein Arbeitgeber, der fair entlohnt und mit ein bisschen Adaption und dem Assistenz­angebot der Lebenshilfe einen freien Job in der Gastronomie mit Hörtnagl besetzt. Dies wäre nämlich auch gesetzlich im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) verankert. Es schreibt vor, dass Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern verpflichtet sind, mindestens eine Person mit Behinderung pro 25 Beschäftigten einzustellen. Wer dem nicht nachkommt, muss eine Ausgleichstaxe entrichten.<BR /><BR />Viele Firmen präferieren noch immer die Ausgleichszahlung, ohne das umfangreiche Angebot zur Begleitung für inklusive Unternehmen der Lebenshilfe Tirol zu kennen. „Ich bin der Letzte, der weiß, warum Betriebe keine Menschen mit Behinderung einstellen“, sagt Hörtnagl, „aber es ist eine gute Frage!“