Wie lebt es sich an der Seite eines Papstes? Was bleibt nach seinem Tod vom deutschen, vom bayerischen Pontifex Joseph Ratzinger? Und wie war das Leben im Dienste gleich zweier Stellvertreter Gottes auf Erden? Georg Gänswein, Ratzingers langjähriger Privatsekretär und beurlaubter Präfekt des Päpstlichen Hauses, hat ein Buch über diese Zeit geschrieben – gespickt mit ein wenig Klatsch und Tratsch aus heiligen Hallen.<BR /><BR />„Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI.“ heißt das Werk, das unmittelbar nach dem Tod des emeritierten Papstes an Silvester 2022 auf Italienisch erschienen war und von diesem Mittwoch an auf Deutsch auf dem Markt ist.<BR /><BR />„Der Typus Kardinal Ratzinger und der Typus Gänswein“, das seien „zwei verschiedene Typen“, sagt Gänswein bei der Buchpräsentation am Dienstagabend in München. Wenn es um Sport ging, seien die beiden beispielsweise nie einer Meinung gewesen. „Sport ist Mord“, habe Ratzinger seinem sportbegeisterten Privatsekretär, den er Don Giorgio oder besser gesagt „Don Tschortscho“ in seiner typisch deutschen Aussprache nannte, zu dessen Unverständnis immer wieder gesagt. Und ungeduldig habe der deutsche Papst werden können, wenn auch auf einer sehr ruhige Weise. Er sei dann „implodiert“.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="874283_image" /></div> <BR /><BR />Gänswein hat sich für die Vorstellung seines Buches mit München eine Stadt ausgesucht, die ihn mit Ratzinger verbindet – nicht nur, weil Ratzinger dort Erzbischof war, bevor er 1982 als Präfekt der Glaubenskongregation nach Rom geholt wurde, sondern auch, weil beide dort studierten.<BR /><BR />München ist, wie Gänswein sagt, wohl auch ein Grund dafür, dass er das Buch überhaupt geschrieben hat. Im Jänner vor einem Jahr sei die Idee dazu konkreter geworden. Damals machte ein von der Erzdiözese München und Freising in Auftrag gegebenes Gutachten über sexuelle Gewalt im Erzbistum Schlagzeilen. Denn dieses warf Ratzinger Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern vor.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="874286_image" /></div> <BR /><BR />„Das geht schnell, dass dann irgendwie ein Narrativ in der Welt erzählt wird, das Sie entstellt, das nicht der Wahrheit entspricht“, habe er dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wenige Monate vor dessen Tod an Silvester 2022 gesagt, als er ihn in sein Buchprojekt eingeweiht habe, sagt Gänswein bei der Präsentation des Werkes.<BR /><BR />„Haltlose Vorwürfe aus München“ heißt das Kapitel ziemlich am Ende des mehr als 300 Seiten starken Buches, das sich auf knapp 4 Seiten mit diesem Thema befasst. Ihm vorangestellt ist ein ähnlich kurzes Kapitel, das überschrieben ist mit „Von jeher gegen jede Form von Missbrauch“. „Das entsetzliche Thema des von Männern der Kirche begangenen sexuellen Missbrauchs war den vatikanischen Jahren von Joseph Ratzinger, der als Kardinal wie auch als Papst nach Kräften gegen dieses Verbrechen gekämpft hat, wie ein Wasserzeichen aufgeprägt“, schreibt Gänswein.<h3> Buch bringt ihm viel Kritik ein</h3>Sehr viel mehr Zeit verwendet er im seinem Buch auf andere Themen. Darauf beispielsweise, Medien bewusste Missverständnisse und „Polemiken“ über Äußerungen von Ratzinger vorzuwerfen. Darauf zu widerlegen, dass Ratzinger nach dem Tod seines engen Vertrauten Johannes Paul II. unbedingt selbst Papst werden wollte – und auf das Verhältnis zwischen Benedikt und seinem Nachfolger Papst Franziskus.<BR /><BR />Dass er, der Testamentsvollstrecker von Benedikt, Korrespondenzen zwischen den beiden Päpsten offenlegte, brachte ihm viel Kritik ein. Der Vatikan hat sich zu dem Buch nicht offiziell geäußert. Beobachter aber erkannten in Aussagen von Franziskus eine Reaktion auf die Kritik. „Manchmal genügt ein Wort, um einen Bruder oder eine Schwester zu verletzen oder zu töten“, sagte er etwa bei einer Audienz. „Wir denken an Verleumdung, an Klatsch und Tratsch, die so üblich sind, so alltäglich, und die so sehr schmerzen und zerstören.“<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="874289_image" /></div> <BR /><BR />Wie es nun, nach dem Tod von Papst Benedikt XVI., für dessen langjährigen Privatsekretär weitergeht, das wisse er selbst nicht, sagt Gänswein in München. „Die neue Aufgabe, die auf mich wartet, ist mir noch nicht bekannt“, sagt der 66 Jahre alte Erzbischof. „Ich selber bin auch neugierig, ich weiß es nicht.“<BR /><BR />Bei einer Audienz vor einigen Tagen habe Papst Franziskus ihm gesagt, er habe noch keine Entscheidung über Gänsweins Zukunft getroffen – weil „noch einige andere Entscheidungen eine Rolle“ spielten.<BR />Franziskus hatte Gänswein 2020 nach internen Querelen – über die der Erzbischof in seinem Buch auch schreibt – vom Amt des Präfekten des Päpstlichen Hauses beurlaubt. Er beschreibt das Verhältnis zum aktuellen Pontifex in München dennoch als anfangs gut: „Chemiemäßig war eigentlich die Sache in Ordnung zwischen Papa Francesco und mir.“<BR /><BR />Gänswein sagt, Papst Benedikt habe ihm wenige Monate vor dessen Tod seinen Segen für das Buch gegeben. Auf dem Einband ist ein Foto zu sehen, das den emeritierten Papst zwischen Gänswein und seinem Co-Autor Saverio Gaeta zeigt. Laut Gänswein sagte Benedikt: „Gut, dann machen Sie es, aber Sie haben die Verantwortung.“<BR /><BR />