„Ich komme aus einer Familie, wo ich damit groß geworden bin, dass Papa und Bruder Fußball- und Skipokale heim bringen. Da freut es mich, dass ich nun auch einen Pokal beisteuern kann“, scherzt der junge Shootingstar des Theaters über den Erfolg. <BR /><BR />Hinweis: Im Gespräch legt Fischnaller-Wachtler Wert auf die gegenderte Form, denn gerade im Film- und Theaterbereich sei es wichtig, „dass die neue Awareness, die seit Me-Too entstanden ist, auch schriftlich sichtbar ist“. Wir setzen daher diesen Wunsch um. <BR /><BR /><b>Die Jury lobte Ihre Umsetzung der Effi Briest am Bronski&Grünberg Theater Wien. Was bedeutet diese Rolle für Sie?</b><BR />Tommy Fischnaller-Wachtler: Ich habe diese Rolle wahnsinnig gerne gespielt, ich habe sie im Laufe der Proben und Vorstellungen lieb gewonnen. Auch ist sie für mich von großer Bedeutung, weil wir mit ihr eine tolle, aber auch wichtige Geschichte erzählen konnten. Es sind doch teilweise, vor allem auch im Roman, sehr harte Themen dabei, vor allem was den Umgang mit einer weiblich gelesen Person angeht. Wir haben es geschafft, aus einem Klassiker eine queere Komödie zu machen, aus der, wie ich finde, jede*r Zuschauer*in was anderes entnehmen kann. <BR />Der größte Erfolg auf die Rolle bezogen ist aber, dass wir, glaube ich, zeigen konnten, dass es egal ist, ob da jetzt eine weibliche oder männliche Person in Rock und Corsage auf der Bühne steht, solang die Geschichte unterhält und berührt, und im besten Fall auch zum Nachdenken bringt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="961363_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihre Effi Briest strotzt laut Jury vor Selbstbestimmung. Welche Facette dieser Figur ist auch in der heutigen Zeit noch gültig?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Selbstbestimmung ist das große Thema! Wir leben in einer Zeit, wo sehr stark in der Selbstbestimmung und Freiheit von Menschen versucht wird einzugreifen. Sei es, ob – ganz oft von Männern – über den Körper der Frau bestimmt werden will, oder welche Sexualität, Religion oder Herkunft jetzt die „Richtige“ sei. Wir erleben eine irrationale Zunahme der Meinung, dass Leute ein Mitspracherecht bei den Lebensweisen anderer hätten und dass sie denken, was für sie vermeintlich passt und funktioniert, für alle gelten muss. Selbstbestimmung it is!<BR /><BR /><b>„In einer Mischung aus Präzision und Spielfreude demonstriert (er), dass er keine Berührungsängste mit radikalen Regiezugriffen hat“, heißt es in der Begründung der Jury. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Regisseur*in und Schauspieler*in?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Im besten Fall ist das Verhältnis gut. Hahaha. Ich glaube, es geht vor allem um gegenseitigen Respekt. Ich respektiere die Regie in Ihren Entscheidungen, schließlich ist sie für den Theaterabend verantwortlich. Ich genieße es aber auch sehr, wenn die Regie mich als Spielenden respektiert und mir bei Bedenken oder Sorgen Gehör schenkt.<BR /><BR /><b>Bei Effi Briest handelt es sich um die Adaptierung einer Romanfigur. Wie schwierig ist es, eine solche Figur auf die Bühne zu bringen?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Die Arbeit lag weniger bei mir als bei Regisseur Moritz Franz Beichl, der ein neues Stück geschrieben hat, basierend auf den Figuren und der Handlung des Originals. Wir haben uns aber auch die Freiheit genommen, uns sprachlich als auch inhaltlich vom Original zu entfernen und so ein zeitgemäßes, queeres „Effi Briest“ auf die Bühne zu bringen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="961366_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Nestroy wird seit dem Jahr 2000 vergeben. Was bedeutet der Preis für Sie als junger Schauspieler?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut und auch geehrt gefühlt. Es gibt ein gutes Gefühl, für die Arbeit, die man liebt, Lob zu bekommen. Plus: Ich komme aus einer Familie, wo ich damit groß geworden bin, dass Papa und Bruder Fußball- und Skipokale heim bringen. Da freut es mich, dass ich nun auch einen Pokal beisteuern kann.<BR /><BR /><b>Eine Ihrer ersten Rollen war ein singendes Zebra, damals waren Sie, glaube ich, 10 Jahre alt. Wollten Sie immer schon ans Theater?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Nein. Ich wollte eine Zeit lang Arzt werden, dann habe ich bemerkt, dass ich keine größeren Mengen an Blut sehen kann. Der zweite Plan war der „sichere“ Weg als Lehrperson, was ich sogar angefangen habe zu studieren. Das erste Mal mit dem Schauspielberuf geliebäugelt habe ich, als ich beim „Rotierenden Theater“ in Südtirol angefangen habe zu spielen, nach meiner ersten Arbeit bei den Vereinigten Bühnen Bozen wurde dann der „geheime“ Wunsch größer. Es hat dann aber noch ein bisschen gedauert bis ich mich getraut habe meine ganze Energie in die Vorsprechen an Schauspielschulen reinzustecken.<BR /><BR /><b>Jede*r Schauspieler*in hat seine Traumrolle. Welche Rolle würden Sie gerne einmal spielen und warum?</b><BR />Fischnaller-Wachtler: Die Buhlschaft beim „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. Warum? Weil schon genug Männer den Jedermann gespielt haben. Weiblich besetzten Jedermann mit männlich besetzter Buhlschaft. Das hat doch was.<BR /><BR /><BR />DAS SAGT IRENE GIRKINGER<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="961369_image" /></div> <BR />In ihrer Zeit als Intendantin der VBB lernte Irene Girkinger den jungen Brixner Schauspieler Tommy Fischnaller-Wachtler kennen – und war sofort von ihm beeindruckt. Inzwischen ist Girkinger Leiterin des Tiroler Landestheaters in Innsbruck und sie konnte den Südtiroler Jungstar dort verpflichten. Das sagt Girkinger über ihn: <BR /><BR />„Ich kenne Tommy Fischnaller seit 2015, da hat er bei den VBB bei der Jugendclub-Produktion „Punk Rock“ von Simon Stephens die Hauptrolle gespielt. Schon damals war ich von seinem schauspielerischen Talent, seiner überzeugenden Präsenz und seiner fesselnden Ausstrahlung auf der Bühne beeindruckt. <BR />Ich habe mich sehr für ihn gefreut, dass er an der Musik- und Kunstprivatuniversität Wien seine Schauspielausbildung absolvieren konnte und war von seiner Interpretation der Rolle der Effi Briest, für die er nun verdientermaßen mit dem Nestroy-Theaterpreis für den besten Nachwuchs Schauspiel ausgezeichnet wurde, am Wiener Theater Bronski&Grünberg begeistert. <h3> „Bravourös und überzeugend“</h3>Als designierte Intendantin des Tiroler Landestheaters wusste ich, als ich ihn dort bei der Premiere auf der Bühne sah: Tommy muss zu uns ans TLT ins Ensemble kommen. Das Theater braucht so moderne, vielseitige, durchlässige und zugleich kraftvolle und humorvolle Spieler:innen wie er es ist. <BR /><BR />Im September, am Beginn der neuen Saison, stand gleich die erste große Herausforderung für ihn: die Rolle von Sebastian/Viola in William Shakespeares „Was ihr wollt“ in einer mutigen Inszenierung, die die Zuschreibung von Geschlechtern auflöst und die Diversität der Gesellschaft in den Vordergrund stellt. Eine Komödie gut zu spielen ist bekanntlich kein einfaches Unterfangen und dabei ziemlich direkt die Brücke ins Heute zu schlagen eine große Aufgabe, die er bravourös und überzeugend gemeistert hat. <BR /><BR />Gleich im Anschluss war er in der eigenwilligen und sehr berührenden Produktion „Creation (Pictures of Dorian)“ des deutsch-britischen Performance-Kollektivs Gob Squad zu sehen, und als nächstes wartet ein großer Klassiker der österreichischen Volkstheater-Literatur und Namensgeber des Preises in einer spannenden Neudeutung auf ihn: Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“. <BR /><BR />Danach kommt ein wichtiges Projekt zur jüdischen Geschichte von Innsbruck auf ihn zu – die Dramatisierung von Meriel Schindlers autobiografischen Roman „Café Schindler“.<BR /><BR />Ich freue mich sehr, dass Tommy das Vertrauen in einen gemeinsamen Weg hat und nun am Tiroler Landestheater arbeitet. Ich bin stolz, dass ich so einen talentierten jungen Schauspieler und tollen Kollegen fürs Ensemble des Tiroler Landestheaters gewinnen konnte. Und dass er aus Südtirol kommt und es so eine Verbindung zwischen meiner früheren und jetzigen Theaterwelt gibt, ist ein besonderes Geschenk.<BR />Ich gratuliere Tommy ganz herzlich zum Nestroypreis und freue mich auf viele gemeinsame schöne Theaterabenteuer!<BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />Tommy Fischnaller-Wachtler ist Ensemblemitglied am Tiroler Landestheater, er ist 1998 in Brixen geboren und dort aufgewachsen. Erste Bühnenerfahrungen sammelte er 2014 beim Jugendtheater „Rotierendes Theater“, worauf Produktionen in ganz Südtirol folgten, u.a. bei den Vereinigten Bühnen Bozen und den Rittner Sommerspielen. 2018 bis 2022 studierte er an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.<BR />