Das Stück „Superspreader“ von Albert Ostermaier feierte am Montag Abend für die Bozner Carambolage Premiere. Vordergründig geht es dabei um die Pandemie. Doch „das eigentliche Thema brennt dahinter und befasst sich ganz grundsätzlich mit der zerstörerischen Seite des Wesens Mensch“, erklärt Peter Schorn im Interview, der im Monolog Marcel darstellt.<BR /><BR /><BR /><BR /><i>Von Eva Bernhard</i><BR /><BR /><BR />Marcel ist ein Unternehmensberater, Vielflieger und Highperformer. Seine zahlreichen Businesstrips haben ihn mehrfach um die ganze Welt geführt, von Flughafen zu Flughafen, immer unter Strom, kaum angekommen schon wieder unterwegs. Bis er plötzlich festsitzt in Wuhan. <BR /><BR /><BR /><b>„Superspreader“ ist nicht Ihr erster Monolog auf einer Theaterbühne. Was ist die größte Schwierigkeit dabei?</b><BR />Peter Schorn: Zunächst einmal eine gewisse Einsamkeit. Ich bin ganz allein in einem Haus, nur mit meinem Handy und dem Router. Da sind keine Kollegen und Kolleginnen, keine Maske, keine Bar, kein Publikum, keine Techniker. Ja selbst die Regisseurin sitzt bei den Proben in einem anderen Haus vor ihrem eigenen Bildschirm. Das ist schon ein bisschen ungewohnt...<BR /><BR /><BR /><b>Und der Reiz?</b><BR />Schorn: Das ganz Besondere an dem Format ist sicher trotz der Einsamkeit die Intimität und die Nähe der Kamera, auch an meinem Gesicht. Ich bewege mich selbst mit meinem Handy streamend durch eine leerstehende Wohnung und kann mit den Zuschauenden auch unter eine Decke oder in einen Schrank kriechen, während ich meine Geschichte erzähle. Da kann man Nuancen spielen, die sonst nur im Film möglich sind. Gleichzeitig bleibt es für mich aber ganz klar Theater, schon allein dadurch, dass auch das Publikum immer live sichtbar und anspielbar bleibt und wir uns sonst keiner filmischen Schnitt-Techniken oder Effekte bedienen.<BR /><BR /><BR /><b>Gerade wenn man als Schauspieler alleine auf der Bühne steht, ist man umso mehr vom Publikum abhängig. Wie schwierig ist nun diese Ihre Interpretation hinter der PC-Wand?</b><BR />Schorn: Naja, es ist hier ja nicht ganz so, als würden wir über YouTube streamen. Ich kann die Zuschauer und die Zuschauerinnen sehen – wenn sie sich entscheiden, die Kamera anzulassen. Es fühlt sich also nicht so an, als würde ich ins Leere spielen, sondern ich spüre und sehe, dass da jemand ist. Teilweise sogar noch deutlicher als im Theater, wo man als Schauspieler in der Regel vor allem die Geräusche aus dem dunklen Saal wahrnimmt. Hier ist das Feedback vor allem optisch, aber es ist auf jeden Fall da.<BR /><BR /><BR /><b>Regie im Stück führt Ihre Frau Eva Kuen, sie sind ein erprobtes Theaterteam. Was funktioniert in der Zusammenarbeit besser als mit anderen Regisseuren?</b><BR />Schorn: Eine künstlerische Zusammenarbeit hat immer extrem viel mit Vertrauen zu tun.<BR />Und hier starten wir beide an Tag 0 einer Zusammenarbeit auf dem maximalen Niveau. Ich weiß: Wenn Eva etwas gut findet, dann kann ich dem vertrauen. Und wenn sie etwas noch nicht gut findet, dann geht es besser. Und Eva ihrerseits weiß genau, was sie will, hat stets eine sehr klare Vision davon, was sie mit einem Stück erzählen will und auch in welcher Form. Gleichzeitig lässt sie den Agierenden auf der Bühne auch sehr viel Freiraum für eigenen Ausdruck, greift kleinste Details und Spielangebote auf, macht sie bewusst und arbeitet so sehr individuell und in einem absolut positiven, ermutigenden Spirit, der einen auf der Bühne wachsen lässt. Das schätze nicht nur ich sehr hoch, sondern auch die mir bekannten Kolleginnen und Kollegen, die mit Eva gearbeitet haben.<BR /><BR /><BR /><b>Und was ist hingegen die Herausforderung dabei?</b><BR />Schorn: Das klingt jetzt alles superharmonisch, und erstaunlicherweise gelingt es uns auch gut, verschiedene Sichtweisen zu diskutieren und uns gegenseitig zu beraten und zu überzeugen. Die größte Herausforderung für mich ist es, in so einem Prozess eine klarere Abgrenzung der Arbeit vom Privaten (auch zeitlich) zu finden.<BR /><BR /><BR /><b>„Der Dramatiker, Lyriker und Prosaautor Albert Ostermaier entwirft in diesem seinen jüngsten Theatertext ein düster schillerndes Panorama unserer jüngsten Gegenwart und schließt religiöse Apokalypsefantasien mit Visionen des Science-Fiction-Kinos kurz“, heißt es auf der Webseite des Münchner Residenztheaters, wo das Stück seine UA feierte.<BR />Es ist nur logisch, dass im Theater – immer eine Bühne des menschlichen Zustandes – jetzt die Auswahl auf ein Thema fällt, das uns seit einem Jahr geknebelt festhält. Andererseits ist es auch problematisch, schon jetzt den Istzustand zu thematisieren, denn die Pandemie ist noch im vollen Gange und wir alle sind sehr geschwächt…</b><BR />Schorn: Das dachten wir zunächst auch, als wir uns dem Stück genähert haben, aber je länger wir probten, desto mehr kamen wir zum Schluss, dass es nur vordergründig um die Pandemie geht. Das eigentliche Thema brennt dahinter und befasst sich ganz grundsätzlich mit der zerstörerischen Seite des Wesens Mensch, die viel stärkeren Schaden anrichten kann als jedes Virus, wenn man nur mal die Perspektive wechselt. So gesehen setzt das Stück aus unserer Sicht bei der Pandemie und der Tagesaktualität nur scheinbar an, um den Bogen dann sehr schnell viel weiter zu spannen.<BR /><BR /><BR /><b>Marcel, den Sie interpretieren, ist ein Unternehmensberater, Vielflieger und Highperformer. Seine Businesstrips haben ihn mehrfach um die ganze Welt geführt, bis er plötzlich in Wuhan festsitzt und Marcels Reise durch die Welt beginnt im Kopf. Wie lässt Peter Schorn diesen Marcel aussehen?</b><BR />Schorn: Der Text gibt natürlich einiges an Irrwitz und Tempo vor. Es ist ein rasanter „Maschingewehr“-Text mit viel Rhythmus und einer sehr hohen Musikalität. Ich persönlich mag das sehr, und wenn man sich auf so einen Text und die assoziativen Bilder, die dabei hochkommen, ganz einlässt, dann entsteht für mich eine Figur eigentlich fast automatisch. Wie das dann aussieht – darüber denke ich letztlich dann gar nicht so nach.<BR /><BR /><BR /><b>„Superspreader ist auch eine sprachwandlerische Tour de Force durch exotische Märkte, vorbei an Tierhäuten, Schuppen und Krallen, in Schlachtbetriebe und deren Elendsquartiere, durch überlastete Intensivstationen und kollabierende Börsen mit der alpinen Bergbahn in das Dante’sche Inferno der Pandemie“, heißt es weiter über das Stück. Wie darf man sich Ihre sprachwandlerische Tour vorstellen?</b><BR />Schorn: Ja, das stimmt, die Sprache liefert Bilder wie ein High-Speed Running Sushi auf Speed. Und diese teilweise Überforderung wollten wir auch nicht abschwächen oder weich zeichnen. Ich denke, man hat das beste Erlebnis, wenn man nicht jedes Wort, jedes Bild analytisch verstehen will, sondern zulässt, dass sich ein intuitives Ganzes einstellt, das im besten Fall auch noch ein paar Tage nachwirkt. Zwischendurch wird jede Person, die zuschaut, ihre eigenen Haltestellen und emotionalen Anknüpfungspunkte finden und das ist, glaube ich, gut so. Wir haben aber sehr darauf geachtet, dass auch die Kamerabilder abwechslungsreich bleiben und die Spannung halten.<BR /><BR /><BR /><b>Und zum Schluss noch eine Frage zu PERFAS: Die Kulturvereinigung „Performing Artists Association South Tyrol“ wurde am 1. Februar gegründet und zählt 204 Mitglieder. Sie sind deren Präsident. Was haben Sie in diesen zwei Monaten bereits erreicht, bzw. woran arbeiten Sie jetzt?</b><BR />Schorn: Wir haben sehr sehr viele Themen, an denen wir gerade arbeiten und als frischgebackene Vereinigung, die erst noch finanzielle Mittel auftreiben muss und derzeit noch ausschließlich ehrenamtlich arbeitet, ist das eine extrem große Herausforderung. Aber wir sind sehr zuversichtlich, auch weil wir sehr viel Unterstützung erfahren und in Felix Senoner einen unglaublich engagierten Geschäftsführer haben.<BR />Derzeit arbeiten wir intensiv mit dem Kulturamt zusammen, um unsere Anliegen und Rückmeldungen in die Definition der Kriterien für die kommenden Covid-Beihilfen einzubringen, wir planen die Ausarbeitung von Kriterien für die beruflichen Performing Artists als Basis für Berufsregister bzw. Landesverzeichnisse, wir haben eine sehr rührige Arbeitsgruppe zum Thema Mentoring und Ausbildung von Berufseinsteigern und -Einsteigerinnen ins Leben gerufen, wir setzen gemeinsam mit Fabrik Azzurro eine Sichtbarkeitskampagne an Fußgängerbrücken in Südtiroler Städten um, wir arbeiten an der Planung einer Online-Konzert-Reihe als Einkunftsmöglichkeit für die extrem stark gebeutelte Musikerszene, und als nächstes soll eine professionelle Webseite drankommen, die auch unsere Mitglieder auf einer Plattform angemessen präsentiert. Zu tun gibt es genug.<BR /><BR /><BR /><b>Der Autor</b><BR /><BR /><BR />Albert Ostermaier ist 1967 in München geboren, wo er heute als freier Schriftsteller lebt und arbeitet. 1995 erschien sein erster Gedichtband „Herz Vers Sagen“, der mit dem Lyrikpreis des PEN Liechtenstein ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr fand die Uraufführung seines ersten Stückes „Zwischen zwei Feuern – Tollertopographie“ im Marstall des Bayerischen Staatsschauspiels statt. Seither gilt Ostermaier als einer der wichtigsten Gegenwartsdramatiker. Es folgten Uraufführungen seiner Stücke am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Hannover, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, am Bayerischen Staatsschauspiel und am Wiener Burgtheater. Seine Theaterstücke werden von vielen namhaften Regisseuren inszeniert, u.a. von Andrea Breth, Martin Kušej, Kay Voges und Thorleifur Örn Arnasson. Sein neuestes Werk „Superspreader“ ist 2020 enstanden.<BR /><BR /><BR /><b>Aufführungstermine:</b> Di 23., Mi 24., Do 25., Fr 26., Mo 29., Di 30., Mi 31. März und Do 01. April 2021 (20 Uhr).<BR />Nach der Reservierung über die Homepage der <a href="https://www.carambolage.org/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Carambolage </a> erhalten Sie weitere Infos zum Online-Theater per e-mail. Das Programm Zoom muss vorab auf Ihrem Computer installiert sein. Es werden maximal 25 Zuschauer pro Vorstellung zugelassen.<BR /><BR /><BR />Diese Theaterproduktion wurde eigens fürs Internet konzipiert. Wie jede künstlerische Arbeit ist auch diese mit Kosten verbunden. <BR />Da die Abendkasse derzeit geschlossen ist, freut sich das Carambolage-Team auf wohlwollende Unterstützung vor oder nach der Aufführung via Paypal oder per Banküberweisung an:<BR />Carambolage<BR />IBAN IT91E0808111610000306001360<BR />BIC RZSBIT21B03<BR /><BR /><BR />