<b>Herr Mairginter, Sie stehen nach 2015 wieder als Judas auf der Bühne. Was darf man sich diesmal erwarten?</b><BR />Pepe Mairginter: Das Stück damals und heute basiert auf dem Werk „Ich, ein Jud. Die Verteidigungsrede des Judas Ischarioth“ von Walter Jens. Das Stück von 2015 ist leicht bearbeitet worden von Regisseur Alfred Meschnigg, und zwar weil es mittlerweile in der Kirche ein Umdenken gibt, was die Person des Judas angeht. Dieser wird nicht mehr so wie früher nur als der Übeltäter angesehen, der Jesus verraten hat. Es sind Bestrebungen im Gange, ihn zu rehabilitieren. Das wird in der neuen Bearbeitung aufgegriffen. <BR /><BR /><b>Sie stehen wieder allein auf der Bühne. Ist das einfacher oder schwieriger als mit mehr oder weniger vielen Mitspielern?</b><BR />Mairginter: Ja, es handelt sich um einen Monolog, der ungefähr 50 Minuten dauert. So etwas ist schon eine besondere Herausforderung für einen Schauspieler, weil man mit sich und dem Text alleine dasteht.<BR /><BR /><b>Das heißt, der Blutdruck geht nach oben?</b><BR />Mairginter: Der ist bei mir ohnehin schon oben, wenn eine Aufführung bevorsteht. Und wenn ich alleine auf der Bühne stehe, dann noch ein wenig mehr. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1002986_image" /></div> <BR /><b>Nach so vielen Jahren auf der Bühne noch aufgeregt?</b><BR />Mairginter: Ja, sehr. Oft frage ich mich, warum ich mir das immer noch antue. Vor einem Auftritt am Abend ist an Mittagessen nicht mehr zu denken. Aber wenn ich dann auf die Bühne komme und den Scheinwerfer spüre, dann ist alles verflogen. <BR /><BR /><b>Sie stehen seit 50 Jahren auf der Bühne. Sind das die Bretter, die die Welt bedeuten?</b><BR />Mairginter: Ganz genau sind es 48 Jahre. Für mich sind es wirklich die Bretter, die die Welt bedeuten. Der „Judas“ ist mein 70. Stück. Ich habe mit 15 Theatergruppen und 13 Regisseuren gearbeitet, allein mit Alfred Meschnigg ist es die 36. Produktion, die wir zusammen machen. Wir harmonisieren wirklich sehr gut, und ich sage oft: Jetzt könnten wir dann auch heiraten. Mittlerweile stehen 795 Aufführungen in meinem Buch. <BR /><BR /><b>Dabei war die Schauspielerei immer Ihr Hobby. Nie überlegt, es zum Beruf zu machen?</b><BR />Mairginter: Nein, niemals. Das hat mich nie interessiert. Wenn man damit seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, dann kann man nicht mehr nur das spielen, was einem gefällt, sondern muss alles annehmen, was einem angeboten wird. Bis man anständige Engagements bekommt, von denen man auch leben kann – das ist nicht einfach, und wird immer schwieriger. Deshalb gibt es zum Beispiel auch in Südtirol nur sehr wenige Schauspieler, die davon leben können. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1002989_image" /></div> <BR /><b>Was gibt Ihnen das Theater?</b><BR />Mairginter: Es ist einfach schön, den Leuten etwas zu geben – ihnen eine Freude zu bereiten, sie zu unterhalten, sie zum Nachdenken zu bringen. Und für mich selbst ist es eine Erfüllung. Mir hat das Theater selbst, vor allem aber auch die Kontakte zu unzähligen Theatergruppen im Ausland, sowie die Arbeit im Südtiroler Theaterverband, wo ich schon lange tätig bin, immer sehr viel gegeben. Ja, das ist meine Erfüllung, seit ich 18 bin. <BR /><BR /><b>Was haben Sie über die Jahre beobachtet: Gehen die Leute gerne ins Theater oder bleiben sie lieber daheim vor dem Fernseher?</b><BR />Mairginter: Die Publikumsrekrutierung wird mit den neuen Medien immer schwieriger. Und die Coronazeit hat das Ihrige dazugetan. Die Leute sind träger geworden, und es ist nicht mehr so einfach, die Säle zu füllen. Früher hat man dann oft gesagt, wir müssen jetzt wieder was zum Lachen spielen, damit Geld hereinkommt. Ich schaue mir gerne auch mal ein Lustspiel an, aber selber spiele ich heute lieber Stücke, die für einen Schauspieler fordernder sind. Ich hatte das Glück, viele solcher Stücke spielen zu können, die mir Genugtuung brachten.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1002992_image" /></div> <b>Warum sollte man sich den „Judas“ anschauen?</b><BR />Mairginter: Weil es ein sehr intelligentes Stück ist. Weil der Autor Walter Jens bei der Verteidigungsrede, die Judas hält, keine Behauptungen aufstellt, sondern nur die Frage aufwirft, wie es gewesen wäre, wenn Judas Jesus nicht verraten hätte. Was wäre dann passiert? Er sagt im Stück: „Ohne den Überlieferer gibt es auch die Überlieferung nicht. Keinen Papst, keinen Bischof, keinen Dekan, keinen Küster.“ Walter Jens, Alfred Meschnigg und ich möchten anstacheln, zu hinterfragen, wir möchten einen Denkanstoß geben.<BR /><BR />Interview: Brigitta Willeit<BR />