Ein Interview von Margit Oberhammer.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1056417_image" /></div> <BR /><BR /><b>Nach großem Einsatz und 14 erfolgreichen Jahren beenden Sie Ihre Tätigkeit als künstlerischer Leiter von Tanz Bozen/Bolzano Danza. Erleichtert? Oder gibt es auch eine Spur Melancholie?</b><BR />Emanuele Masi: Im Augenblick bin ich einfach nur stolz. Stolz auf die Erfolge dieser Ausgabe, die eine „Momentaufnahme“ sowohl der Geschichte dieser 40 Jahre des Festivals als auch des Wachstums in den letzten 15 Jahren darstellt – und das nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Aufführungen, die sich verdreifacht haben, sondern auch in Bezug auf neue Orte, die wir bespielt haben, sowohl in der Stadt als auch in der Natur. Und ich bin stolz auf den Ruf, den das Festival international erreicht hat. <BR /><BR /><BR /><b>Allerorten sprießen neue Tanzfestivals wie Pilze aus dem Boden. Wie haben Sie es geschafft, Bolzano Danza/Tanz Bozen ein eigenes Gesicht zu geben, ein Profil, mit dem es sich von anderen abhebt?</b><BR />Masi: Ich denke, das Schlüsselwort, das erklären kann, wie diese Identität entstanden ist, heißt „Beziehungen“. Der Wunsch, Beziehungen zu knüpfen, hat mich dazu gebracht, das Publikum aktiv einzubeziehen und Kooperationen mit anderen „Realitäten“ in Bozen, aber auch auf nationaler und internationaler Ebene aufzubauen. Und schließlich sind es die Beziehungen, die mit den Künstlern selbst entstanden sind: mit den assoziierten Kompanien, den Gastkuratoren und den Künstlern, die zu echten Partnern des Festivals geworden sind. Auf diese Weise ist ein Netzwerk entstanden, die all diese Einheiten zu verbindet.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1056420_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die Kompanien reisen um die Welt. Die Auftritte und Ausstattungen verschlingen große Ressourcen. Gab es bei Ihnen Überlegungen in Richtung Nachhaltigkeit?</b><BR />Masi: Es ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt, sowohl im Hinblick auf die Umwelt als auch auf die finanziellen und personellen Ressourcen. Es geht auch darum, die negativen Auswirkungen des Reisens aber auch die positiven – nicht kalkulierbaren – Auswirkungen gegeneinander abzuwägen, die eine Aufführung etwa auf die Besucher haben kann: Sie öffnet den Geist, regt zum Nachdenken an und schafft Erinnerungen. In den letzten Jahren haben wir das Thema Nachhaltigkeit auch insofern versucht zu lösen, indem wir einige Künstler und Kompanien baten, mehrere Projekte auf dem Festival zu präsentieren, um eine tiefere Verbindung mit der Stadt zu schaffen. Aber auch, um optimale Tourneekalender zusammenzustellen: Ein Beispiel dafür ist die Aufführung des Ballet National de Marseille, das mit einem riesigen Bühnenbild, 2 Lastwagen und einer beträchtlichen Anzahl von Künstlern und Technikern anreist – ein so großes Spektakel, das sich kaum ein Festival in Italien oder Österreich leisten kann, das aber unglaublich viele Zuschauer anzieht. Deshalb haben wir 2 Aufführungen vorgesehen, auch das das bedeutet Nachhaltigkeit.<BR /><BR /><BR /><b>Und wie werden Sie in Zukunft mit Ihren eigenen Ressourcen umgehen? Werden Sie ihre Erfahrungen weiterhin in den Tanz einbringen oder eine ganz andere Richtung einschlagen?</b><BR />Masi: Darauf kann nur das Schicksal antworten: Ich weiß nicht, ob mich in Zukunft neue künstlerische Richtungen im Tanz erwarten, abgesehen vom Equilibrio Festival, dessen Ausgabe ich für 2025 plane. Andererseits bin ich fast zufällig Tanzkurator geworden und sehe mich eher als Kulturmacher. Daher freue ich mich, weiterhin mit der Haydn Stiftung in den Bereichen Entwicklung, Innovation und Inklusion zusammenzuarbeiten: Unabhängig vom Genre (Tanz, Musik oder anderes) sind dies die Themen, die mir wirklich am Herzen liegen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1056423_image" /></div> <BR /><BR /><b>Vergangene Woche stellte sich das neue künstlerische Leitungsteam von Tanz Bozen, Olivier Dubois und Anouk Aspisi, vor. Inwieweit waren Sie bei der Wahl des Duos involviert, bzw. was waren Ihre Argumente für dessen Beauftragung?</b><BR />Masi: Die Entscheidung wurde vom Vorstand der Haydn Stiftung getroffen und ich wurde in einigen Phasen des Auswahlverfahrens um eine externe Stellungnahme gebeten. Für mich liegt die Stärke des Duos Aspisi-Dubois darin, dass die beiden sich jedem Publikum öffnen wollen, sich auf die Choreografie konzentrieren und ihr Projekt wirklich auf Bozen und die kulturellen und sozialen Komponenten im Land zugeschnitten ist.<BR /><BR /><BR /><b>Sie waren seit 2013 künstlerischer Leiter von Tanz Bozen. Sie haben sicherlich viele Anekdoten zu erzählen, welche Produktion, bzw. welches Festival oder welche Künstler werden Sie nie vergessen?</b><BR />Masi: Ich habe so viele Erinnerungen, dass es wirklich schwierig ist, eine Geschichte auszuwählen. Ich werde mich immer an die Menschlichkeit und an die Gespräche mit Michele Di Stefano erinnern, der künstlerisch wie ein großer Bruder für mich war (ich bin ein Einzelkind!). Und an die „sanfte“ Stärke der Stücke von Rachid Ouramdane. In <TextHBlau>„Franchir la nuit“</TextHBlau> brachte er professionelle Tänzer, Flüchtlingskinder und auch unbegleitete Minderjährige sowie Jugendliche aus unserer Gegend auf die Bühne: Bei dieser Gelegenheit hatten wir viele Familienmitglieder dieser jungen Migranten im Publikum, Mütter mit Neugeborenen in ihren bunten, traditionellen Kleidung. Ein wirklich anderes Publikum, Menschen, vor denen unsere Gesellschaft oft zurückschreckt, und die stattdessen zum ersten Mal mit uns in „unserem“ Stadttheater willkommen geheißen wurden. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1056426_image" /></div> <h3> Resümee</h3><BR />Die 40. Ausgabe von Tanz Bozen, die letzte unter der künstlerischen Leitung von Emanuele Masi, ist eben zu Ende gegangen: 16 Tage mit mehr als 40 Veranstaltungen, angefangen bei italienischen Erstaufführungen über internationale Koproduktionen bis hin zu Performances auf öffentlichen Plätzen der Stadt oder vor atemberaubender Bergkulisse, oftmals begleitet vom Haydn Orchester und seinen Solistinnen und Solisten. Die Ausgabe 2024 des Festivals Bolzano Danza/Tanz Bozen war die erfolgreichste aller Zeiten, gemessen an den Einnahmen und den verkauften Tickets: mehr als 6000. Dazu kommen noch die Zuschauer der vielen zusätzlichen Gratisveranstaltungen in und um Bozen, die Besucherinnen der Ausstellung „40 Jahre Tanz Bozen“ in der Stadtgalerie Bozen, die zahlreichen Vertreter aus Presse und Medien sowie Kulturschaffende aus dem In- und Ausland. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung des Festivals als eines der kulturellen Highlights der Region und seine Beliebtheit sowohl beim Publikum als auch bei den Künstlerinnen und Künstlern. Nun bereitet sich das Festival auf einen neuen Kurs vor. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1056429_image" /></div> <BR /><BR />„In der Ausgabe 2024 wollte ich die Geschichte des Festivals feiern und zu den Künstlerinnen und Künstlern zurückkehren, die prägend für die 14 Jahre unter meiner Leitung waren. Heute kann ich voller Stolz sagen, dass es mir nicht nur gelungen ist, das gesamte Haydn Orchester auf die Bühne zu bringen, um Strawinskys 'Sacre du Printemps' aufzuführen, sondern auch unsere gesamte Region einzubinden, angefangen bei den öffentlichen Plätzen über die Museen bis hin zu den Gipfeln der Dolomiten. Ich gebe den Staffelstab nun mit Freuden weiter, im Wissen, meine Mission beendet zu haben, indem ich Tanz Bozen zu einem attraktiven, pulsierenden Event auf der Höhe der Zeit gemacht und ihm eine neue Ausrichtung gegeben habe, nicht zuletzt dank internationaler Koproduktionen: darunter beispielsweise das Stück <TextHBlau>'U.'</TextHBlau> von Alessandro Sciarroni, das mit wichtigen italienischen Partnern und dem Pariser Festival d’Automne koproduziert wurde. Ein kleiner Beitrag zum großen Mosaik, das Bolzano Danza im Lauf der Jahre mithilfe seiner unterschiedlichen Leiterinnen und Leitern geschaffen hat. Mit der Weitergabe des Staffelstabs endet auch eine Reihe von Kooperationen mit Kompanien wie Gauthier Dance// Dance Company Theaterhaus Stuttgart, der 'Principal Guest Company' von Tanz Bozen, oder dem Ballet national de Marseille/(La)Horde, der 'Associated Company' der letzten 3 Jahre“, sagt Emanuele Masi und wünscht seinen Nachfolgern viel Glück. <BR /><BR /><BR />„Bolzano Danza 40“, erklärt Monica Loss, Generaldirektorin der Stiftung Haydn, „hat in Hinblick auf die Beteiligung des Publikums und die Einbindung der Stadt neue Maßstäbe gesetzt. Emanuele Masi ist es gelungen, seine Ära als Kurator des Festivals mit einem Paukenschlag zu beenden, und die Stiftung kann ihm für seine wertvolle Arbeit und die reibungslose und harmonische Übergabe an die neue künstlerische Leitung nur vom Herzen Danke sagen. Olivier Dubois und Anouk Aspisi werden, um eine olympische Metapher zu verwenden, die Fackel weitertragen, um das strahlende Feuer des Festivals Tanz Bozen von morgen zu entzünden.“Das Festival Tanz Bozen wird organisiert von der Stiftung Haydn.