Weltreisender, Welterzähler, Weltbürger: Zweig hat uns viel zu sagen, wie die stellvertretende Leiterin des Literaturarchivs und Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek Arnhilt Inguglia-Höfle im Gespräch erzählt. <b>von Eva Gratl</b><BR /><BR /><b>Was macht Stefan Zweig zum Weltautor, was hat er uns, vor allem jungen Menschen, heute noch zu sagen?</b><BR />Arnhilt Inguglia-Höfle: Wir haben in dieser Ausstellung verschiedene Aspekte gewählt, die Welt und Autor zusammenbringen. Es gibt insgesamt 6 Bereiche mit einem Zeitstrahl und dazu noch 5 thematische Kapitel. Es geht um den Erfolgsautor, weiter mit <i>„Inspiriert von Stefan Zweig“</i>. Denn es gibt weltweit Künstlerinnen und Künstler, die von Zweigs Werk inspiriert wurden und neue Werke schufen. <i>„Reisen und Schreiben“</i> thematisiert den Autor, der intensiv die Welt bereist hat, auch als Verfolgter. Es geht weiter mit Stefan Zweig, der über die Welt schreibt. Im letzten Kapitel lernen wir den Autor als Pazifisten kennen, der sich immer für den Weltfrieden eingesetzt hat. Stefan Zweig hat viele Gesichter: In der Schau sehen wir ihn in einer Passfotoserie. Er hat in verschiedensten Kontexten über Jahrzehnte immer etwas zu sagen gehabt, vor allem auch jungen Menschen. Seine Botschaft, dass Menschen in Frieden miteinander leben und sich über Grenzen hinaus verständigen sollen, hat ja kein Ablaufdatum.<BR /><BR /><b>Die Weltgeschichte ist nicht nur, wie sie meistens dargestellt wird, eine Geschichte des menschlichen Mutes, sondern auch eine Geschichte der menschlichen Feigheit“, schrieb der Autor, der eine große politische Weitsicht besaß. Was beeindruckt Sie an dieser seiner politischen Gesinnung?</b><BR />Inguglia-Höfle: Er war nach einer kurzen patriotischen Phase zeitlebens Pazifist. Dafür wurde er kritisiert, denn er war immer gegen den Kampf, setzte sich dafür ein, dass man Polemik nicht mit Polemik bekämpft. Das wurde während des 2. Weltkrieges problematisch gesehen, vor allem von Menschen, die sich gegen die Nationalsozialisten einsetzten, indem sie dagegen ankämpften und Proteste organisierten. Sein Glaube war, dass Literatur und Kultur helfen können.<BR /><b><BR />Glauben Sie noch daran? </b><BR />Inguglia-Höfle: Ja, ich denke, die Weltliteratur kann etwas bewirken. Das sehe ich mit dieser Ausstellung. Das ist die 12. Station hier in Bozen und ich erfahre, wie diese Schau Menschen zusammenbringt. <BR /><BR /><b>Eines seiner bekanntesten Werke „Sternstunden der Menschheit“ (1927) ist eine Sammlung von 14 historischen Begebenheiten, deren Auswirkungen die Geschichte der Menschheit verändert haben. Welchen „Sternstunde“ würden Sie auswählen? </b><BR />Inguglia-Höfle: Das Interessante in diesem Werk ist ja, dass diese Sternstunden auf der ganzen Welt zu verschiedenen Zeiten spielen. Mein persönlicher Favorit ist die Episode <i>„Das erste Wort über den Ozean“, </i>wo es um die Verlegung des Atlantikkabels geht. Die Hartnäckigkeit, daran zu bleiben, um dieses Kabel zu verlegen, beeindruckt mich. Es geht um die Zusammenarbeit von Menschen, um den Glauben an den Fortschritt, um die Verbindung von Kontinenten. Das ist doch überaus aktuell und könnte auch ein Vorbild sein.<BR /><BR /><b>Junge Menschen verbinden mit Stefan Zweig meistens „Die Schachnovelle“, die ja in fast allen Oberschulen gelesen wird... </b><BR />Inguglia-Höfle: Ja, das Werk gehört mit <i>„Die Welt von Gestern“</i>, seiner Autobiografie – beide sind erst nach seinem Tod erschienen – zu den beliebtesten und bekanntesten. Beide sind politisch am explizitesten, vor allem in der „Schachnovelle“ geht es um nationalsozialistische Verfolgung, Folter und Flucht ins Exil. Es ist definitiv sein politisch eindeutigstes Werk, wo er ganz offen Kritik übt, und wird deswegen wohl so stark rezipiert.<BR /><BR /><b> Verstehen Sie sein tragisches Ende?</b><BR />Inguglia-Höfle: Es ist ein dramatisches Ende, der Abschiedsbrief ist herzzerreißend. Er wünscht seinen Freunden die Kraft, die Morgenröte nach der langen Nacht noch zu erleben. Zweig hatte die Kraft verloren, ebenso seine Sprache, Europa war zerstört. Er war ja schon Jahre unterwegs und wohl vollkommen erschöpft. Er hatte Österreich 1934 endgültig verlassen. Als Brasilien noch Teil des Weltkrieges wurde, fühlte er sich nirgendwo mehr sicher. Der Krieg war da überall, obwohl er ja ans Ende der Welt geflohen war. Man kann die Gründe also verstehen, die zum tragischen Ende führten. Es bleibt aber, dass er weltweit rezipiert wird, von China bis Südamerika. Die Ausstellung war vor kurzem in Brasilien in der Casa Stefan Zweig in Petrópolis zu sehen, wo er bis zu seinem Lebensende lebte. <h3> ZUR PERSON</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1145814_image" /></div> <BR /><BR /> Arnhilt Inguglia-Höfle ist stellvertretende Leiterin des Literaturarchivs und Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek und studierte Germanistik und Sinologie in Wien und Beijing, promovierte in London und forschte als Postdoc in Berkeley, Hamburg und Wien. <BR /><BR />Sie ist Co-Kuratorin der ab 2023 weltweit gezeigten Wanderausstellung „Stefan Zweig. Weltautor“. Zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und Herausgeberschaften, zuletzt: „Ausnahmezustand. Krisen und Konflikte aus dem Archiv“ (Mithg., 2024):