Wie dieses unglaubliche Projekt verwirklicht wurde, erzählt der Kulturmanager und Koordinator von Bolzano Festival Bozen im Gespräch.<BR /><BR /><b>Die Uraufführung des Werkes am Dienstagabend war nicht nur ein musikalisches Meisterwerk, sondern auch eine logistische Tour de Force...</b><BR />Peter Paul Kainrath: (Lächelt) Ja, die Klaviere sind zu Beginn des Jahres im chinesischen Ningbo gebaut worden. Im Frühling wurden sie dann per Schiff nach Rotterdam gebracht, im Juli ließen wir sie dann mit 2 FERCAM Lastzügen nach Bozen bringen. Dienstag Nacht haben wir sie wieder eingepackt und nun befinden sie sich schon wieder auf halber Strecke zurück ins Depot in Rotterdam.<BR /><BR /><b>Wie kam dieses so außergewöhnliche musikalische Projekt eigentlich zustande?</b><BR />Kainrath: Es ergab sich eine Idealkonstellation. <b>Philipp von Steinaecker,</b> der Kurator der Mahler Akademie wollte schon seit längerem neben seiner Originalklangprojekt-Idee auch Neues mit den jungen Musikerinnen und Musikern der <b>Mahler Akademie</b> erlebbar machen, und ich war 2018 als designierter Intendant des <b>Klangforum Wien</b> in China unterwegs. Ein Besuch bei der einzigen privaten Klavierfabrik Chinas, Hailun, in Ningbo bescherte mir einen Glücksmoment. Bevor die Klaviere die Fabrik verlassen, werden diese von Maschinen zu Hundertschaften und gleichzeitig für 24 Stunden gespielt. Ein unvorstellbarer Klang war das, und ich wusste, es gibt nur einen Komponisten auf dieser Welt, der damit künstlerisch umgehen kann: <b>Georg Friedrich Haas.</b> Ich rief ihn noch aus China an, und er meinte, wenn ich ihm 50 Klavier brächte, würde er sich an die Arbeit machen. Ein Gespräch mit der künstlerischen Leiterin von Hailun, Sisi Ye, und dem Gründer der Firma, Herrn Hailun senior, hat genügt, und sie waren mit Begeisterung dabei. <BR /><BR /><b>Das klingt einfach, doch welches Argument war ausschlaggebend, dass die Inhaber der Klavierfirma effektiv dem Projekt zustimmten?</b><BR />Kainrath: Hailun hatte verstanden, dass hier etwas entstehen kann, das es bisher noch nie gegeben hat. Klavierfabriken gibt es viele – vor allem in China. Alle suchen hervorzustechen, geben viel Geld in Anzeigen aus. Aber hier hat Hailun als Partner dieser titanischen Unternehmung ein Alleinstellungsmoment, das höchst wertvoll ist.<BR /><BR /><b>Ich verstehe, dass Ihnen die Klaviere zur Verfügung gestellt wurden, aber wie haben Sie den Transport finanziert?</b><BR />Kainrath: Hailun hat verstanden, dass das Werk nur leben kann, wenn man zumindest eine erste Tour auch finanziell und nicht nur mit den Klavieren unterstützt. Wir haben rasch zueinander gefunden. Es sind gute und solide Klaviere, die im Laufe des kommenden Jahres sicher von 500 Pianisten gespielt werden. Ich selbst stelle mich in China als Testimonial zur Verfügung. Das ist ein fairer Deal mit einem weltoffenen und neugierigen Unternehmer.<BR /><BR /><b>Gab es insgesamt auch Momente, in denen Sie zweifelten, dass dieses Konzert je zustande kommen würde?</b><BR />Kainrath: Die Uraufführung hätte 2020 stattfinden sollen. Dann kam die Pandemie und damit einhergehende Skepsis gegenüber China. Und dennoch haben wir nie daran gezweifelt, dass wir dieses Projekt umsetzen müssen.<BR /><BR /><b>Die 50 Klaviere mussten in Bozen dann mikrotonal gestimmt werden, doch das lief nicht nach Plan…</b><BR />Kainrath: Jedes einzelne Klavier muss eine eigene Stimmung haben. So schreibt es die Partitur von Haas vor, und nur so konnten diese magischen Klänge, die bis dato wohl noch nie zu hören waren, erreicht werden. Mit einer europäischen Klavierstimmertradition stößt man da gerne an Grenzen. Zum Glück hat uns Hailun die 2 erfahrensten Klavierstimmer der Firma als Begleitung des Projektes mitgebracht. Ihnen ist ein großer Teil des Gelingens des Projektes zu verdanken. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="924694_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und jetzt? Das Stück wird noch in Wien mit dem Klangforum Wien aufgeführt. Gibt es noch andere Termine?</b><BR />Kainrath: Ja, Wien Modern, das größte Festival Neuer Musik Europas, hat das Stück bereits für den 1. November programmiert. Dann soll es nach Prag und Amsterdam gehen. Wir sprechen auch mit Veranstaltern in Asien und in den USA. <BR /><BR /><b>Und wie lösen Sie da jeweils das logistische Problem? Wie viele Klaviere haben eigentlich in einem Lastwagen Platz?</b><BR />Kainrath: Es braucht 2 große Lastwagen und mit einer scharf gemachten Kalkulation sollte es zu stemmen sein.<BR /><BR /><b>Was geschieht am Ende mit den Klavieren? Werden sie wieder nach China verschifft?</b><BR />Kainrath: Nach einem Jahr gehen die Instrumente in die volle Verfügung von Hailun zurück. Wir wissen nicht, was mit ihnen geschehen wird, aber ich nehme an, dass sie wohl in Europa verkauft werden sollen.<BR /><b><BR />Die UA war ein beeindruckendes klangliches Erlebnis. War sie im Sinne des Komponisten? Was waren seine Aussagen?</b><BR />Kainrath: Haas meinte, dass wir beide – er und ich – hoch gepokert hätten und haushoch gewonnen hätten. Er schien sehr zufrieden zu sein. Ich war mir sicher, dass er wusste, was er künstlerisch will und braucht, und vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Teams der Busoni Mahler Stiftung, des Transart Festivals und nun des Klangforum Wien dachten wir, das Ganze ist stemmbar.<BR /><BR /><embed id="dtext86-60693031_gallery" /><BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/artikel/kultur/11000-saiten-klaenge-tuermen-sich-zu-einer-gewaltigen-landschaft-auf" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Hier die Konzertkritik von Margit Oberhammer.</a><BR /><BR /><BR />