Wie schwer ihm dieser Schritt fällt, was er seinem Nachfolger mit auf den Weg gibt und warum das Theater in Südtirol eine derart starke Resonanz erfährt, erzählt der meinungsstarke Langzeitpräsident im Interview. <BR /><BR /><b>Herr Runer, wie fühlt es sich an, nach 30 Jahren nun tatsächlich Ihr Büro am Sitz des Südtiroler Theaterverbandes im Bozner Waltherhaus zu räumen?</b><BR />Klaus Runer: Im Laufe der Jahre hat sich sehr viel Material angesammelt, und ich bin nun dabei, mir einen Überblick zu verschaffen. Ich möchte alles geordnet an meinen Nachfolger übergeben, wobei einige verstaubte Dinge sicher auch entsorgt werden können. Aber ja, das Aufräumen ist tatsächlich mit Wehmut verbunden, weil viele schöne Erinnerungen wieder hochkommen.<BR /><BR /><b>War es schwierig, passende Nachfolger für dieses Amt zu finden?</b><BR />Runer: Nein, ich musste keine Überredungskünste aufbieten, damit wir genug Kandidaten für die Neuwahlen im Zuge der Generalversammlung am 23. März haben. Es wird ja das gesamte Präsidium neu gewählt, für das Amt des Präsidenten stehen derzeit 2 Kandidaten zur Verfügung, für das Gremium 7 bis 8 Kandidaten und Kandidatinnen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann möchte ich ja eine Frau zur Nachfolgerin.<BR /><BR /><b>Warum eine Frau?</b><BR />Runer: Einfach deshalb, weil das unsere Verbandsstruktur besser widerspiegeln würde. Mittlerweile haben in den Bühnen und auf Bezirksebene sowieso mehrheitlich Frauen leitende Funktionen übernommen, die Zurückhaltung von einst haben sie längst abgelegt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1004249_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was möchten Sie hingegen Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?</b><BR />Runer: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich ganz gewiss kein Einflüsterer oder gscheider Altpräsident sein werde – das will ich nicht und das wäre auch nicht richtig. Das habe ich damals auch als scheidender Bürgermeister so gehalten. Mitgeben möchte ich hingegen dem Nachfolger bzw. der Nachfolgerin, stets darauf zu achten, dass der Verband weiterhin offen bleibt. Das ist gar nicht so einfach, wie es klingen mag, denn man braucht nur an andere Verbände mit verschiedensten Sparten und Unterteilungen zu denken. Wir haben es von Anfang an so gehandhabt, ein Dienstleister für die Bühnen in Südtirol zu sein, sie ganz generell zu unterstützen, aber uns nie einzumischen, wie oder was gespielt wird. Mit lediglich 300.000 deutsch- und ladinischsprachigen Einwohnern ist die Südtiroler Theaterszene gut beraten, immer an einem Strang zu ziehen und sich nicht aufzusplittern – beispielsweise zwischen Amateuren und Profis. Nur wenn man sich keiner der vielen Entwicklungen verschließt, kann der Verband seine Bedeutung weiter beibehalten. Und das ist dann für alle von Vorteil <BR /><BR /><b>Hat gerade dieses Credo mit dazu beigetragen, dass die Südtiroler Theaterszene nicht nur sehr vielfältig und experimentierfreudig ist, sondern auch sehr stark in der Bevölkerung verankert ist und großen Zuspruch erhält?</b><BR />Runer: Das ist in der Tat so. Bei all der Konkurrenz von Streamingangeboten im Fernsehen bis hin zu den vielen Veranstaltungen in den Dörfern hat das Theater nichts von seiner Faszination eingebüßt – im Gegenteil. Wir verbuchen wieder einen riesigen Boom an Zuschauern, nachdem während der Corona-Pandemie der gesamte Sektor auf null heruntergefahren worden war. Durch die Bank höre ich von ausverkauften Produktionen und Zusatzvorstellungen, der Zuschauerzuspruch ist nochmals stärker als vor der Pandemie. Dazu nur eine Zahl: 253.000 Zuschauer wurden bei den Aufführungen von Mitgliedsbühnen des STV im Jahr 2023 gezählt. Allerdings gibt es auch eine andere Realität, denn in den Städten ist der Neustart nach Corona nicht so gut gelungen. Dort braucht es weitere Anstrengungen, um die Säle wieder zu füllen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1004252_image" /></div> <BR /><b>Wie erklären Sie sich diese neue Lust am Theater?</b><BR />Runer: Trotz oder gerade wegen der voranschreitenden Individualisierung in unserer Gesellschaft gibt es ein starkes Bedürfnis nach Gemeinschaft und gemeinsamen Erlebnissen. Vor allem in den Dörfern erfüllt das Theater neben dem kulturellen auch einen soziokulturellen Auftrag, das heißt, dass der örtliche Theaterverein maßgeblich zum Funktionieren des Dorflebens beiträgt. Das gilt natürlich auch für die anderen Vereine wie Chor, Musikkapelle, die Sportvereine etc. Darüber hinaus bietet das Theater Möglichkeiten für die Integration, was sonst oftmals in den Dörfern ein wenig fehlt. Es ist hilfreich für die Sprachvermittlung und erfüllt therapeutische Funktionen.<BR /><BR /><b>Was meinen Sie mit therapeutischen Funktionen?</b><BR />Runer: Nehmen wir das Erinnerungstheater mit Senioren. Es ist auf die Bedürfnisse von älteren Menschen zugeschnitten, sie zeigen sich in ihrem Alter vielfach erstmals auf der Bühne, wobei oft recht komplexe Erinnerungen von ihnen selbst aufgearbeitet und artikuliert werden. So hält man auch sein Gedächtnis fit, Seniorentheater hilft auch gegen Vereinsamung. Gerade in derartigen Bereichen sind wir als Verband gezielt aktiv, wollen die Entwicklung weiter vorantreiben. Neben dem Seniorentheater gilt das etwa auch für das Kinder- und Jugendtheater sowie für das Theater mit Menschen mit Behinderung. <BR /><BR /><b>Was hat Sie im Verlauf dieser 30 Jahre am meisten geärgert?</b><BR />Runer: Zum Glück habe ich das Talent, die unliebsamen Sachen schnell zu vergessen. Deshalb schlafe ich auch immer sehr gut. Aber ja, wenn etwas im besonderen Maße nervt, dann ist es die steigende bürokratische Belastung - sei es für den Verband, aber vor allem für die Bühnen. Die neue Gesetzgebung zum 3. Sektor ist für die Theatervereine teilweise eine richtige Katastrophe, vor allem vor dem Hintergrund, dass man heutzutage kaum noch Leute findet, die Obfrau bzw. Obmann machen wollen. Natürlich gibt es viele Anleitungen und Broschüren, die man den Theaterfunktionären in die Hand drückt, aber großteils geht man ja zum Verein der Sache wegen, weil man in irgendeiner Form mitwirken und zum Gelingen der Aufführungen beitragen will. All die Auflagen, die erfüllt werden müssen, sind der Sache nicht dienlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Verband im Jahre 1951 deshalb gegründet wurde, um Bürokratie zu bewältigen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1004255_image" /></div> <BR /><b>Bürokratiebewältigung im Jahre 1951? Was hat es damit auf sich?</b><BR />Runer: Es waren die Nachkriegsjahre, wir hatten eine vollkommen andere Situation. Damals war vorgeschrieben, dass sämtliche Theaterstücke ins Italienische übersetzt und dann zur Abnahme nach Rom geschickt werden müssen. Das war für die Bühnen kaum zu bewältigen, deshalb wurde der Verband gegründet, folglich hatte schon damals der Sankt Bürokratius seine Hände im Spiel. Wir haben noch heute einige der übersetzten Bauernschwänke im Archiv, aus heutiger Sicht köstlicher Stoff.<BR /><BR /><b>Was hat Sie vor 30 Jahren bewogen, sich dem Abenteuer STV zu stellen?</b><BR />Runer: Das war in der Tat sehr abenteuerlich. Der Verband befand sich in sehr schwierigen Gewässern, es gab Streitereien zwischen dem damaligen Vorstand und der Geschäftsführung, eine Spaltung zwischen progressiven und konservativen Kräften lag in der Luft. Ich war damals Obmann der Heimatbühne Terlan und bekam das erst durch Andreas „Opal“ Robatscher so richtig mit, er überredete mich auch, zu einer wichtigen Sitzung zu gehen. Namhafte Kandidaten wie Paul Rösch, damals Direktor des Tiroler Landesinstitutes, oder Eberhard Daum machten vor der Wahl einen Rückzieher, der Posten war ihnen wegen der Streitereien zu heiß. Ich ließ mich zu einer Kandidatur überreden, tatsächlich konnte ich mich knapp gegen Peter Mitterrutzner durchsetzen. Meine Aufgabe bestand zunächst darin, den Verband zu befrieden. Das gelang auch gut, weil ich ja von außen kam und unvoreingenommen war, außerdem konnte ich mir meine Mann- und Frauschaft zur Führung des Verbandes aussuchen. <BR /><BR /><b>Die meisten Ihrer Mitstreiter haben mit Ihnen die 30 Jahre bestritten …</b><BR />Runer: So ist es. Geschäftsführer Helmut Burger und Ruth Lechthaler haben mit mir begonnen, auch sie sind 30 Jahre im Amt. Es hat sich ein sehr angenehmes Arbeitsverhältnis und ein starkes Vertrauensverhältnis entwickelt, denn alle wissen genau, wie ich ticke. <BR /><BR /><b>Wenn man Sie so leidenschaftlich erzählen und argumentieren hört, dann kommt man nicht um die Frage herum: Wie schwer fällt das Loslassen?</b><BR />Runer: Achja, ich habe das 30 Jahre sehr gerne getan, tue es noch heute gerne, aber nun ist endgültig genug. Im Gegensatz zum Bürgermeisteramt in Terlan, bei dem mir das Aufhören leichtgefallen ist, tue ich mich hier sicherlich viel schwerer, weil ich dem Theater eben mit viel Herzblut verbunden bin. Deshalb werde ich sicherlich noch mehr Theater als Zuschauer besuchen. Andererseits bin ich auch dünnheutiger geworden, habe nicht mehr die notwendige Geduld bei Sitzungen. Und grundsätzlich bin ich nicht mehr zeitgemäß.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1004258_image" /></div> <b>Inwiefern nicht mehr zeitgemäß?</b><BR />Runer: In dem Sinne, dass ich aus einer Zeit komme, in der Theaterzettel, das Theaterplakat, die Theaterzeitung und Theaterankündigungen in den Zeitungen von großer Bedeutung waren. Nun hingegen müssen wir die sozialen Medien bedienen, die meisten Bühnen sind längst auf die modernen Kommunikationskanäle aufgesprungen. Diese gilt es zu nutzen, denn sie bringen ja sehr viele Vorteile mit sich. Ich hingegen werde einfach narrisch, wenn ich nur meinen Töchtern zuschaue, wie sie auf Tiktok oder instagram hin- und herschreiben. Das beginnt ja schon mit der Sprache, da wird permanent in Abkürzungen kommuniziert. <BR /><BR /><b>Allerdings kann man sich einen Klaus Runer als klassischen Rentner kaum vorstellen. Womit will er sich im Unruhestand beschäftigen?</b><BR />Runer: Ich sorge schon immer dafür, dass ich ausgelastet bin. Derzeit bin ich gerade in der Gastronomie tätig, helfe einem Kollegen in der Sektkellerei im Service und im Keller aus. Im Sommer werde ich wieder öfters auf der Zwickauer Hütte auf knapp 3000 Metern anzutreffen sein, dort bin ich dann gerne Mädchen für alles – im Service, beim Putzen und in der Küche. Die restliche Zeit verbringe ich wie üblich in der Landwirtschaft – nach dem Rebenschneiden folgt nun das Spargelstechen. Im Herbst freue ich mich schon auf die Weinlese. Das ist das Privileg als Pensionist: Man kann sich die Arbeiten aussuchen und hat somit immer genug Abwechslung. Wie es sich dann tatsächlich nach dem 24. März anfühlen wird, das weiß ich nicht.<BR /><BR />Interview: Alex Zingerle <BR />