<b>+ von Micaela Taroni</b><BR /><BR />Der Bozner Regisseur Andreas Pichler hatte bereits ein Jahr vor dem tragischen Vorfall mit den Dreharbeiten seines Dokumentarfilms „Gefährlich nah“ begonnen, indem er sich mit dem heiklen Thema des schwierigen Zusammenlebens von Mensch und Bär befasste. Nun wird sein Film vorgestellt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063968_image" /></div> <BR /><BR />In dieser Zeit gelang es ihm, nicht nur den Förstern und Bären sehr nahe zu kommen, sondern auch die durch den tödlichen Vorfall verschärfte Debatte zwischen der lokalen Bevölkerung, den Umweltschützern und der Politik über den richtigen Umgang mit diesen Tieren zu dokumentieren. <BR /><BR /><BR />Pichlers Film wird am Samstag um 20 Uhr im Filmclub in Bozen gezeigt. Die Vorführung wird von einer Diskussion mit dem Regisseur, dem ehemaligen Förster Alberto Stofella und Johanna Platzgummer vom Naturmuseum Südtirol begleitet. Der Abend wird von Gabriele Crepaz moderiert. Über den Film haben wir uns mit Pichler unterhalten.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063971_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Dokumentarfilm feiert die Südtirol-Premiere zu einem Zeitpunkt, an dem die Diskussion über das Zusammenleben von Mensch und Bäri m Trentino besonders angespannt ist. Hätten Sie das gedacht, als Sie mit den Aufnahmen begonnen haben?</b><BR />Andreas Pichler: Ich habe vor 4 Jahren begonnen, das Projekt für den Dokumentarfilm zu entwerfen, und schon damals hatte ich den Eindruck, dass sich etwas zusammenbraut. Schon seit über 10 Jahren gibt es Spannungen rund um die Bären. Die Problematik ist natürlich nach dem Tod von Andrea Papi im vergangenen Jahr eskaliert. Inzwischen wird die Thematik von Medien in ganz Europa verfolgt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063974_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie bemühen sich, eine neutrale Stellung gegenüber der heiklen Thematik einzunehmen. Ist Ihnen das schwer gefallen? Schließlich wird die Angelegenheit sehr kontrovers diskutiert...</b><BR />Pichler: Ich bemühe mich, meine Filme so zu gestalten, dass der Zuschauer sich ein eigenes Bild machen kann. In der Bärenthematik geht es nicht nur um Argumente, sondern auch viel um Emotionen. Ich habe mit Tierschützern gesprochen, die geweint haben, als die Bären eingefangen oder getötet wurden. Auch die Ängste der Bevölkerung sitzen tief im Nacken und kommen spürbar ans Licht. Es war mir ein Anliegen, mit den Förstern zu sprechen, die in der Öffentlichkeit kaum zu Worte kommen, obwohl sie die einzigen Profis sind, die die Materie kennen und Lösungsvorschläge unterbreiten können. Ihnen sind jedoch die Hände gebunden, weil die politische Seite die Entscheidungen trifft.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063977_image" /></div> <BR /><b>Wie schwierig war es, mit der Bevölkerung der Täler in Kontakt zu treten?</b><BR />Pichler: Es war nicht immer einfach, die Menschen vor die Kamera zu bekommen. Obwohl der Unmut groß ist, haben viele Menschen Angst vor den Tierschutzorganisationen, denn einige von ihnen sind sehr militant und aggressiv. Nach dem Tod von Andrea Papi war es aber leichter, mit den Bürgern zu sprechen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063980_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie haben auch Andrea Papis Eltern getroffen. Wie war diese Begegnung?</b><BR />Pichler: Ich habe lange überlegt, ob ich die Eltern kontaktieren soll, weil sie monatelang von den Medien belagert wurden. Als Dokumentarist gehe ich lieber dorthin, wo die Medien noch nicht waren. Im vergangenen Herbst war aber dann die Zeit für das Treffen reif. Die Eltern sind tief betroffen: Der Tod eines Sohnes ist das Schlimmste, was einem passieren kann und der Tod durch ein Raubtier weckt Gefühle der Ohnmacht, die sehr schwierig zu verarbeiten sind. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063983_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was ist Ihrer Ansicht nach am Bärenansiedlungsprojekt „Life Ursus“ schief gelaufen?</b><BR />Pichler: Aus heutiger Sicht fragt man sich, ob es wirklich sinnvoll war, vor 25 Jahren mit dem Ansiedlungsprojekt zu beginnen. Ich glaube, niemand hätte sich damals vorgestellt, dass sich die Bären im Trentino so wohl fühlen und sich so stark vermehren würden. Aus biologischer Sicht ist das Projekt absurder Weise also ein Riesenerfolg. Der Konflikt mit der Bevölkerung jedoch hat bereits vor 10 Jahren begonnen. Die Politik hat einfach zu lange keine Entscheidungen getroffen. Die Tierschutzorganisationen tragen auch Verantwortung, denn sie haben mit ihren juridischen Schritten immer wieder die Entnahme von Problembären verhindert. Inzwischen ist das Thema zu einem Politikum geworden. Die öffentliche Debatte in Italien ist oft von Tierschützern beeinflusst, die in den Städten leben und nichts vom Zusammenleben mit den Bären in den Trentiner Tälern wissen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063986_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie wird es Ihrer Ansicht nach weitergehen?</b><BR />Pichler: Die Akzeptanz der Bevölkerung im Trentino, die bis vor einiger Zeit noch höher als in Südtirol war, ist inzwischen stark gesunken. Das Klima ist vergiftet. Ich denke, dass man alle Interessensgruppe an einen Tisch bringen sollte. Eine Konfliktmediation ist notwendig, die aber nicht von der Provinz Trient, sondern von jemand extern geleitet werden sollte. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063989_image" /></div> <BR /><b>Und was erhoffen Sie sich von Ihrem Dokumentarfilm?</b><BR />Pichler: Meine Hoffnung ist, dass „Gefährlich nah“ die Menschen dazu bringt, sich gegenseitig zuzuhören und auch verschiedene Positionen zu berücksichtigen. In Sachen Bären hat jeder eine klare Meinung, aber die Lage ist komplex. Ich hoffe, dass dank des Films auch Menschen, die in Städten wie Rom, Mailand und Florenz wohnen, ein Gefühl davon bekommen, was es heißt, mit Bären in nächster Nähe zu leben.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063992_image" /></div> <BR /><BR /><b>Inwieweit waren dann die Dreharbeiten zur Doku eine Herausforderung?</b><BR />Pichler: Jeder Dokumentarfilm ist eine abenteuerliche Reise, doch „Gefährlich nah“ war bestimmt eines der anstrengendsten Projekte überhaupt. Ich war oft mit den Förstern in Kontakt, und es war nicht planbar, wann man drehen konnte. Alles war emotional sehr aufgeladen, man hat vor allem nach Papis Tod viel Trauer und Wut erlebt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063995_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Film war bereits im TV auf ARD zu sehen. Wie waren die Reaktionen?</b><BR />Pichler: Die Einschaltsquoten waren hoch. In Süddeutschland, wo auch das Thema der Wölfe besonders aktuell ist, gab es Vorführungen, bei denen verschiedene Positionen diskutiert wurden. Ich glaube, die Debatten nach der Filmvorführung haben ein bisschen dazu beigetragen, das gegenseitige Verständnis zu erhöhen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1063998_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und was sind Ihre nächsten Projekte?</b><BR />Pichler: Ich werde mich auch in Zukunft mit dem Thema der Koexistenz von Mensch und Natur, von Bevölkerung und Tier befassen. Wir müssen die Basis für eine neue Form des Zusammenlebens schaffen.<BR /><h3> Biografie Andreas Gamper</h3><BR />Der 1967 in Bozen geborene Filmemacher besuchte dort die Fernsehe- und Filmschule Zelig, studierte danach Film- und Kulturwissenschaften an der Università degli Studi di Bologna und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seit Ende der 90er Jahre arbeitet er hauptberuflich im Bereich Dokumentarfilm und ist als Produzent tätig. Seine Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Seine Dokus „Das Venedig Prinzip“ (2017), „Das System Milch“ (2017) oder „Alkohol – Der globale Rausch“ (2020) sorgten für viel Aufsehen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1064001_image" /></div> <BR /><h3> Vorabpremieren</h3><BR /><b>23.8., 20.30 Uhr im Cinema Modena in Trient</b> – Die Vorführung wird von einer kurzen Diskussion mit dem Regisseur Andreas Pichler und dem Zoologen Filippo Zibordi, moderiert von Mauro Fattor, begleitet.<BR /><BR /><b>24.8., 20 Uhr im Filmclub (Capitol 1) in Bozen</b> – Die Vorführung wird von einer kurzen Diskussion mit dem Regisseur Andreas Pichler, dem ehemaligen Förster Alberto Stofella und Johanna Platzgummer vom Naturmuseum Südtirol<BR />begleitet. Der Abend wird von Gabriele Crepaz moderiert.<BR /><BR /><b>Ab 26.8.,</b> Filmclub Bozen & Meran