<b>Von Marian Wilhelm</b><BR /><BR />Petzold ist der perfekte Preisträger für den Lebenswerk-Preis, auch wenn er noch mitten in seiner Karriere steckt und schon am nächsten Film arbeitet. Als klassisch deutscher Regisseur der sogenannten „Berliner Schule“ hat er schon seit langem weltweite Anerkennung erfahren, ohne deshalb auszuwandern...<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996571_image" /></div> <BR />Im Dialog mit der kurzfristig verhinderten zweiten Ehrenpreisträgerin Alba Rohrwacher repräsentiert er den deutschsprachigen Teil der kinokulturellen Schnittpunkte, die das Festival schon unter Martin Kaufmann und Helene Christanell prägten. Bozen war und ist der frühlingshafte Treffpunkt für Arthouse-Stars und das Festival ein ruhiger Begegnungsort abseits des Trubels der Filmindustrie. Christian Petzold nutzte seinen ersten Tag in Südtirol zum Beispiel gleich für eine 50 Kilometer-eBike-Tour Richtung Meran, bevor er dann am Abend seinen Ehrenpreis in Form einer gläsernen Südtirol-Landkarte überreicht bekam. Als Tribute waren neben „Transit“ noch „Roter Himmel“ und „Barbara“ im Programm des Festivals. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1151640_image" /></div> <BR /><BR />Seine Filme sind spürbar deutsch, im guten wie im schlechten Sinne, im trockenen wie im präzisen Blick. Oder wie es der Laudator Peter Körte ausdrückt: Petzolds Filme haben „eine Kälteschicht und einen Hitzekern“. Und weiter: „Diese Art Kino hat viel damit zu tun, dass er – wie ich auch – in der Provinz aufgewachsen ist, wo es kaum Kinos gab. Die Kinos, die es gab, zeigten nicht die Filme, die wir sehen wollten. Er hasse Filme, hat er mal gesagt, die sich ranschmeißen an die Zuschauer, die anschaffen gehen.“<BR /><BR />Petzold drehte zuletzt Filme auf den Spuren der deutschen Romantik mit ihren allegorischen Geschichten, Figuren und Orten. Das zeigt sich auch an seinem jüngsten Werk, das am Dienstag im Anschluss an die Preisverleihung gezeigt wurde. „Roter Himmel“ wurde 2023 auf der Berlinale vorgestellt und erhielt den Silbernen Bären als Großen Preis der Jury. Darin erzählt ein nach eigener Aussage „altersmilder“ Petzold die Geschichte eines frustrierten jungen Schriftstellers in einem Ferienhaus an der Ostsee. <Fett>Thomas Schubert</Fett> als grantiger Wiener und <Fett>Paula Beer</Fett> als geheimnisvolle Deutsche beleben den inneren Konflikt ihrer Figuren. Der titelgebende rote Himmel ist ein Waldbrand, der immer näher rückt, deutlicher in den fremdsprachigen Titeln „Il cielo brucia“ und „Afire“.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1151643_image" /></div> <BR />Doch für Petzold ist dieser äußere Druck nur ein Mittel, um seinen zerrissenen Figuren näherzukommen. In seinem Film „Transit“ ist es eine Besatzungsmacht in Frankreich, die aus der Romanvorlage von Anna Seghers aus dem Zweiten Weltkriegs stammt, im Film aber in einer unbestimmten Gegenwart angesiedelt ist. Historie, Gegenwart und Zukunftsvision liegen in der „Gleichzeitigkeit der Stadt“ übereinander. Deutsche Flüchtlinge schlagen sich in Paris und Marseille durch und versuchen ein letztes Schiff in die Freiheit zu erwischen, bevor die europäische Welt hinter ihnen zusammenbricht. Franz Rogowski und wiederum Paula Beer sind die „unerlösten Menschen“ inmitten dieser Katastrophe. Ein unglaublich dringliches Drama, bei dem der Petzoldsche deutsche Stil in der Genauigkeit und Ruhe liegt, mit der die Hauptfigur vor diesem Thriller-Hintergrund erzählt werden. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1151646_image" /></div> <BR />Vincenzo Bugno, künstlerischer Leiter des Bolzano Filmfestival Bozen, bemerkte, dass „Transit“ aus dem Jahr 2018 deshalb so brandaktuell wirkt, weil „unsere Welt ein bisschen faschistischer geworden ist in diesen 5 Jahren.“ Bleibt zu hoffen, dass sich die Welt bei Christian Petzolds nächstem Besuch in Bozen wieder etwas beruhigt hat und die Ahnung dieser Wiederkehr als Vision auf der Leinwand bleibt. Bis dahin ist das Bolzano Filmfestival Bozen ein perfekter Transitort für das bunte Kino Europas.<h3> Zur Person Christian Petzold</h3>Der Regisseur und Drehbuchautor wurde 1960 im nordrhein-westfälischen Hilden geboren, wuchs in Haan auf. Ab 1981 studierte er in Berlin Germanistik und Theaterwissenschaften und schloss mit einer Magisterarbeit über Rolf Dieter Brinkmann ab (1989). 1988-1994 besuchte er die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin, arbeitete gelegentlich beim Sender Freies Berlin und als Filmkritiker bei verschiedenen Zeitungen.<BR /><BR />Petzold begann 1984 als Assistent des Autors und Filmemachers Harun Farocki und von Hartmut Bitomsky. Bis 1994 drehte er Kurz- und Dokumentarfilme, erste Spielfilme schuf er dann fürs Fernsehen. Bekannt sind seine Streifen „Die innere Sicherheit“, „Toter Mann“, „Wolfsburg“, „Gespenster“, „Yella“, „Jerichow“, „Barbara“, „Phoenix“, „Transit“ und „Roter Himmel“. Er wurde vielfach ausgezeichnet darunter mit dem Silbernen Bären bei der Berlinale 2023 für „Roter Himmel.“