Beleuchtet wird das ereignisreiche Leben der Künstlerin, die am 12. April 1900 als Tochter eines Bahnhofsvorstehers im damals zur österreichischen Monarchie gehörenden Ort zur Welt kam. <b>Von Micaela Taroni</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043139_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Ein Trailer des Films wurde von der Trentiner Regisseurin <Fett>Elena Goatelli</Fett> (im Bild) im Österreichischen Kulturforum in Rom präsentiert. Hergestellt wird das Werk von der auf Produktion von Dokumentarfilmen zum Thema Kunst spezialisierten italienischen Produktionsgesellschaft Filmwork. Er basiert auf Studien einer von <Fett>Stefano Franchini</Fett> am „Istituto Italiano di Studi Germanici“ (IISG) in Rom koordinierten Forschungsgruppe. Sowohl die Regisseurin als auch der Forscher stammen aus Borgo Valsugana, der Trentiner Gemeinde, in der Klien zur Welt kam. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043142_image" /></div> <BR /><BR />Das Team arbeitet seit 2023 an einer umfangreichen dokumentarischen Monografie zum Leben der Künstlerin. Über die Forschungsarbeit zur facettenreichen Persönlichkeit Kliens erzählt Franchini im Gespräch. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043145_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie hat die Trentiner Herkunft Kliens Kindheit beeinflusst?</b><BR /> Stefano Franchini: Erika Giovanna Klien hat nur ihre ersten 2 Lebensjahre in der Valsugana verbracht, dann ist ihre aus Oberösterreich stammende Familie nach Liezen in der Steiermark gezogen. Obwohl wir wissen, dass die Kindheitserfahrungen sich tief in die Seele des Menschen einprägen, ist es schwierig festzustellen, welche Spuren dies in Kliens Existenz hinterlassen hat. Dabei hat vielleicht wenig der Ort als der Wohnkontext eine Rolle gespielt. Da der Vater Franz Klien Bahnhofsvorsteher war, hat die Künstlerin bis zu ihrem 25. Lebensjahr stets in Bahnhofsgebäuden gelebt. Das könnte eventuell das Interesse der Künstlerin für Bildsujets wie Lokomotiven und Subways besser erklären.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043148_image" /></div> <BR /><BR /><b>Aus welchem Milieu stammte sie? Ist sie mit dem Trentino in Verbindung geblieben?</b><BR /> Franchini: Man weiß nicht viel über Kliens Kinderjahre. Die Familie lebte in kleinbürgerlichen Verhältnissen. Wenn man bedenkt, dass Ihre Mutter Anna Kronschachner Kindergärtnerin war und Klien ihr ganzes Berufsleben lang als Kunstlehrerin und -pädagogin, also hauptsächlich mit Kindern, gearbeitet hat, kann man einen familiären Einfluss nicht komplett ausschließen. Sie ist in Österreich aufgewachsen und mit dem Trentino hat sie offenbar keine Verbindung mehr gehabt, obwohl sie 1930 den amerikanischen Behörden gegenüber erklärte, dass Italienisch die in der Familie alltäglich gesprochene Sprache war.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043151_image" /></div> <BR /><BR /><b>Inwiefern ist Kliens Persönlichkeit für heutige Generationen interessant?</b><BR />Franchini: Sie war eine unabhängige Frau, die stets nach Freiheit strebte. Von 1914 bis 1945 lebte sie in einer Welt, die von 2 Weltkriegen, den schwersten Wirtschaftskrisen, ständiger Armut und Not geplagt war. Für Klien galt wohl das eigene Kunstschaffen und die antiautoritäre Kunsterziehung junger Seelen als eine Dimension menschlicher Freiheit und Kooperation gegen die Gewalt und die Brutalität der Macht.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043154_image" /></div> <BR /><BR /><b>Warum ist sie im Vergleich zu anderen Vertretern der europäischen Avantgarde unterschätzt worden? Hängt es auch damit zu tun, dass sie eine Frau war?</b><BR />Franchini: Klien lebte in einer Zeit, in der die eigene Durchsetzung als Künstlerin und als ledige Frau innerhalb einer männlich dominierten Welt unglaublich erschwert war. Das hat sicher eine Rolle gespielt, obwohl der Wiener Kinetismus, in dem sie sich ausgebildet hatte und von dem sie die Hauptvertreterin war, fast ausschließlich von Frauen entwickelt wurde. Neben EGK sind z.B. ihre ebenso vergessene Kolleginnen Elisabeth Karlinsky und My Ullmann zu erwähnen. Außerdem wird oft die angewandte Kunst als untergeordneter Kunstbereich betrachtet. Ich würde jedoch nicht von Unterschätzung sprechen. In den 20ern war Klien weltweit anerkannt. Ich glaube vielmehr, dass ihre kinetische Kunst in den USA der 30 und 40er Jahre keine Konjunktur mehr hatte. Wegen der Weltwirtschaftskrise brauchte der beängstigte amerikanische Mittelstand nicht nur politische, sondern auch kulturelle Stabilität und Sicherheit. Deshalb wurde Kliens Malerei, welche die Bewegung, die Veränderung, das rhythmische und dynamische Wesen der Realität darzustellen versuchte, als erschütternd und destabilisierend wahrgenommen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043157_image" /></div> <BR /><b>Warum ist Klien nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten?</b><BR />Franchini: Eigentlich wurde sie vergessen, als sie noch lebte. Um 1925 hat sich die Schule des Wiener Kinetismus aufgelöst. In New York gehörte Klien zu keiner Künstlergruppe und blieb im Grunde eine Einzelgängerin. Sie war hoch talentiert, hat stets gemalt und spektakuläre Werke realisiert, man kann aber nicht behaupten, sie habe als Künstlerin Erfolg gehabt. In Amerika wurde sie vom Kunstmarkt nicht richtig anerkannt. Außerdem stellt Klien meines Erachtens ein eklatantes Beispiel für eine traditionelle Historiographie dar, die sich für das Marginale und Erfolglose überhaupt nicht interessierte und das weibliche Moment aus der Kunstgeschichte lange ausgemerzt hat.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043160_image" /></div> <BR /><BR /><b>Meinen Sie, Ihr Forschungsprojekt wird dazu beitragen, dass Kliens Rolle auch hierzulande mehr gewürdigt wird?</b><BR />Franchini: Das ist genau unser Ziel. Bisher haben sich die italienischen Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen mit dem Wiener Kinetismus wenig bis gar nichts befasst. Die gigantische Gestalt seines Begründers <Fett>Franz Cizek</Fett>, Lehrer und Mentor von EGK, ist so gut wie unbekannt. Aus diesem Grunde zielt unser Projekt darauf hin, einen Film und eine italienische Monographie über Klien sowie eine retrospektive Ausstellung in Rom zu realisieren, die diesen spannenden Kontext besser erschließen können.<BR /><BR />2022 widmete das Museion in Bozen Erika Giovanna Klien die Aus- stellung „Bird Flight“ – ein Dialog zwischen der Künstlerin und zeitge- nössischen Positionen. Der Titel stammt aus einer ihrer Werkreihen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1043163_image" /></div> <h3> Vita Erika Giovanna Klien</h3><BR />Die Künstlerin kam 1900 in Borgo Valsugana (Trentino) zur Welt, das damals noch der österreichischen Monarchie angehörte. Von 1919 bis 1924 studierte sie an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Franz Cizek Ornamentale Formenlehre. Unter seiner Leitung beschäftigte sich Klien mit Architekturstudien, wobei sie insbesondere Einflüsse der zeitgenössischen Avantgardekunst umsetzte, und schloss ihre Ausbildung als Kunstpädagogin ab. Sie bezog ein Atelier in Purkersdorf und arbeitete als Grafikerin. Nach einem Probejahr als Kunstlehrerin an der Elizabeth Duncan School in Klessheim setzte sie die Lehrtätigkeit von 1926 bis 1929 fort. Dabei entwickelte sie ein pädagogisches System, das in Freiheit das Talent der Schüler fördern wollte. <BR /><BR /><BR />Als Hauptvertreterin des Wiener Kinetismus befasste sich Klien zeit ihres Lebens mit der Bewegung der menschlichen Figur – ausgehend vom Tanztheater. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Museen im In- und Ausland vertreten. Kliens Leben wurde 1928 von einem schweren Schicksalsschlag erschüttert. In diesem Jahr brachte sie einen unehelichen Sohn zur Welt, den sie zwar anerkannte aber bei Pflegeeltern lassen musste, um für ihren Unterhalt aufzukommen. Der Sohn, Walter Klien, wurde später ein bekannter Pianist. 1929 übersiedelte sie in die Vereinigten Staaten, wo ihre Schwester bereits als Ophthalmologin in Chicago arbeitete. 1938 wurde die Künstlerin US-Staatsbürgerin und unterrichtete an bedeutenden Kunstschulen in New York. Mit Reklameentwürfen bestritt sie ihren Lebensunterhalt. Ihre letzten Lebensjahre waren von finanziellen und gesundheitlichen Problemen geplagt. 1957 verstarb die Künstlerin in Einsamkeit an einem Herzinfarkt in New York.