Warum ein internationaler Kongress die Teilnehmer an die Kleinschule in St. Oswald bei Kastelruth einlädt, wie die dortige Schulleiterin Ideen für die Zukunft der Schule umsetzt und welche Rolle der beliebte Volksmusikstar dabei spielt. <BR /><BR />„(Um-)Welterschließung und Bürgerengagement“ nennt sich der internationale Kongress, zu dem die Professoren Annemarie Augschöll und Martin Weingardt kürzlich an die Freie Universität nach Brixen und an die Kleinschule St. Oswald/Kastelruth eingeladen haben. Gekommen waren Experten aus Norwegen, Finnland, Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz.<BR /><BR />Viele Forderungen werden an die Schule herangetragen: Sie solle fürs Leben erziehen, müsse sich der Welt öffnen, habe auf die Erfordernisse von morgen vorzubereiten und möge junge Menschen zum Lernen motivieren und nicht langweilen. <BR /><BR />Idealistische Lehrer versuchen, diese Forderungen umzusetzen. Bemühen sich um einen interessanten und lebensnahen Unterricht. Probieren bei der Vielfalt und Größe der Klassen und den entsprechenden Herausforderungen die Quadratur des Kreises. Merken, dass sie trotz großen Einsatzes an die Grenze stoßen. Dass Schule gesellschaftlichen Entwicklungen nicht vorauseilt, sondern oft hinterherhinkt. Dass einiges nicht gelingt.<h3> Netzwerke knüpfen</h3>Eine Antwort auf diese Herausforderungen könnten „Offene Bürgerschulen“ sein. Sie knüpfen Netzwerke zwischen Schule, Elternhaus, Arbeitswelt und Jugendarbeit. Sie holen die Partner in die Schule – und verlassen mit den Kindern und Jugendlichen das Schulgebäude, um die entsprechende Lebenswelt aufzusuchen. Sie bieten Schülern Räume, in denen sie Verantwortung für andere übernehmen und Vorbilder kennenlernen können. <BR /><BR />Denn Bürgerschulen wollen Antworten auf die Probleme junger Menschen geben und ihnen Lebenserfahrungen ermöglichen. Das Leben, wie es ist, die Wirklichkeit also, sollen die Kinder und Jugendlichen kennenlernen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="820847_image" /></div> <BR />Auch in Südtirol orientieren sich Kleinschulen zunehmend nach außen und entwickeln sich weiter. „Offene Bürgerschulen“ haben 5 Eckpunkte zum Ziel: 20 Prozent des Lernens richten sich auf externe Bildungsorte und Bildungspartner aus. 20 Prozent fokussieren das Individuelle des jungen Lernenden. Weitere 20 Prozent nutzen Lehrpersonen, um sich mit Schülern, Kollegen, Eltern und anderen Lernpartnern auszutauschen. 20 Prozent des Unterrichts orientieren sich an lokalspezifischen Themen, und zumindest zu 20 Prozent strebt die Schule bewusst Heterogenität an. Doch ein anspruchsvolles Lernniveau zu erreichen und zu halten, ist nicht einfach.<BR /><BR /> Bei allen Angeboten, die Kinder zum Lernen bekommen, müssen Lehrer die Qualität der Lernprozesse garantieren und Leistungsergebnisse reflektieren. Individualisiertes Lernen misslingt oft, weil das schulische Angebot am Interesse mancher Schüler vorbeigeht, weshalb sie Freiarbeitszeiten zu wenig nutzen und sich Lerninhalte nicht zu merken vermögen. Schulisches Lernen ist auch nicht immer alltagsnah. Dazu kommt, dass Kindern öfters Primärerfahrungen fehlen. Schule setzt Abstraktionsvermögen voraus, und nicht alle Schüler erkennen einen Sinn in den gestellten Aufgaben.<h3> Wenn die Schule rausgeht</h3>Die Welterschließung der „Offenen Bürgerschulen“ kann Kindern und Jugendlichen aus diesem Dilemma helfen, ist Martin Weingardt, Professor an der PH Ludwigsburg, überzeugt: „Verhäuslichung und soziale Isolation prägen die Kindheit vieler Schüler. Dem kann die Schule entgegenwirken, indem sie rausgeht und Impulse aufnimmt, damit diese bei den Schülern und Eltern einen Nachhall hinterlassen. Um es bildhaft zu sagen: Ich lasse die Schüler von Quellen mitten im Leben trinken, das macht sie neugierig auf mehr, und dann nehme ich dieses – das Lernen auffrischende – Wasser noch mit ins Klassenzimmer, um dort vertiefend weiterzuarbeiten!“<BR /><BR />Wie engagierte Menschen aus dem Schulumfeld in Kleinschulen das Lernen der Jugendlichen fördern können, zeigte auch Norbert Rier von den „Kastelruther Spatzen“, der die Schule St. Oswald auf seinen Hof einlädt, um Kindern die Erfahrungswelt „Bauernhof“ aus erster Hand zu ermöglichen. Und so schloss das 2-tägige Symposium mit einer Praxiswerkstatt in St. Oswald/Kastelruth ab, wo Schulleiterin Manuela Steiner eine Kleinstschule präsentierte, „die sich ihr soziales, natürliches und wirtschaftliches Umfeld erschließt, lernt und mit dem Dorf lebt“.<BR /><BR /><b>3 Fragen an Prof. Martin Weingardt</b><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="820850_image" /></div> <BR /><BR /><b>Worin liegt das Potenzial der Bürgerbeteiligung an den Schulen?</b><BR />Prof. Martin Weingardt: Bürger haben Wissen und Kompetenz aus Beruf, Hobby, Alltag Lebenserfahrungen – das alles kann für Kinder und Jugendliche Ausgangspunkt für hochmotivierende und nachhaltige Lernprozesse sein.<BR /><BR /><b>Wie funktionieren die Bürgerbeiräte der Schulen?</b><BR />Prof. Weingardt: Der Bürgerrat besteht aus engagierten Bürgern des Schulortes, die konkret schulbezogene Projekte planen und geeignete Ansprechpartner kontaktieren. Bürgerräte werden von Schulleiter und Bürgermeister geleitet. <BR /><BR /><b>Was hat sich beim Blick auf Schule verändert?</b><BR />Prof. Weingardt: Wir wissen heute, dass vor allem 4 Energiequellen Lernen nachhaltig machen: der Lernende und seine Motivation, die Lehrperson als Lernbegleiter, der außerschulische Impulsgeber/Kooperationspartner und ein entsprechendes Lernsetting. Es gilt, diese gezielter einzusetzen, damit Lernen gelingt. <BR /><BR />