<b>Von Josef Gelmi</b><BR /><BR />Ein Ereignis nicht nur von größter kirchlicher, sondern auch von nicht zu unterschätzender politischer Tragweite war die Errichtung der Diözese Bozen-Brixen im Jahre 1964, die zur kirchlichen Einigung Südtirols führte.<BR /><BR /> Nachdem bereits 1922 eine Diözesanregelung in Südtirol gescheitert war, fanden 1951 verschiedene diesbezügliche Bemühungen statt, die aber zu keinem befriedigenden Abschluss führten. <BR /><BR />Von entscheidender Bedeutung war schließlich die Verknüpfung der Südtiroler Diözesanregelung mit der Innsbrucker Bistumsfrage. Die italienische Regierung legte vor allem darauf Wert, dass es zur Errichtung der Diözese Innsbruck-Feldkirch komme, um damit eine Sanktionierung der Brennergrenze zu erreichen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1058277_image" /></div> <BR /><BR />Bei den Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der österreichischen Bundesregierung spielte vor allem die Haltung der Tiroler Landesregierung eine wichtige Rolle. Sie machte die Lösung der kirchlichen Verhältnisse nördlich des Brenners von einer Neuordnung der Diözesangrenzen südlich des Brenners abhängig. <BR /><BR />Im Jahr 1964 war es schließlich so weit. Am 16. Juli benachrichtigte Kardinalstaatssekretär Amleto Giovanni Cicognani den Brixner Bischof Joseph Gargitter, dass die Verhandlungen ein glückliches Ende finden würden. In diesem Zusammenhang sprach er von einem „Wunder“. Am 5. August teilte Erzbischof Antonio Samorè, Sekretär der Kongregation für außerordentliche Aufgaben, den Bischöfen von Trient und Brixen den Text mit, der am 8. August im „Osservatore Romano“ erschien. <h3> Kompromiss macht Bozen zum Bischofssitz</h3>Durch die päpstliche Bulle „Quo aptius“ vom 6. August 1964 wurde die Diözese Bozen-Brixen definitiv errichtet. Gleichzeitig kam es mit der Bulle „Sedis Apostolicae“ zur Schaffung der Diözese Innsbruck-Feldkirch. Der Kompromiss, der für die Südtiroler Lösung eingegangen werden musste, war die Verlegung des Bischofssitzes von Brixen nach Bozen, die Zuordnung an die Trienter Metropolitankirche und der Verlust der Dekanate Cortina d´Ampezzo und Buchenstein. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1058280_image" /></div> <BR /><BR />Buchenstein und Colle Santa Lucia gehörten seit 1000 Jahren zu Brixen. Cortina, das seit 1511 zu Tirol und seit 1789 mit kurzen Unterbrechungen zur Diözese Brixen zählte, kam 1964 zur Diözese Belluno. Diese Entscheidung wurde, ohne die Bevölkerung zu befragen, getroffen und sie trat unangekündigt für die Menschen wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein. <BR /><BR />Für mich war dieses Ereignis dramatisch. Ich war damals Kooperator in Cortina d´Ampezzo und befand mich also über Nacht in einer anderen Diözese, für die ich mich nicht habe weihen lassen. Ich habe sogleich den Bischof von Belluno Gioacchino Muccin aufgesucht, gegen diese neue Inkardination protestiert und meine Rückkehr zur alten Diözese Brixen gefordert.<h3> Priester kehren in frühere Diözese zurück</h3>Die Unterschiede zwischen den beiden Diözesen waren damals noch sehr groß. Während man zum Beispiel bei uns mit kurzen Hosen Fußball spielen konnte, trugen die Priester aus Belluno noch den Talar. Muccin bat mich um ein bisschen Geduld und stellte mir die baldige Rückkehr in Aussicht, die dann 1966 erfolgte.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1058283_image" /></div> <BR /><BR />Es traf damals nicht nur mich, sondern auch Angelo Dapunt, der aus Abtei stammte und von 1956 bis 1973 Dekan von Cortina war sowie die Kooperatoren Peter Hofmann und Vitus Dejaco. Sie alle konnten in die Diözese Brixen bzw. nun Bozen-Brixen zurückkehren. Auf Dekan Dapunt folgte der ebenfalls aus Abtei stammende Lorenz Irsara, der die Pfarre bis 1986 leitete. Dann übernahmen Priester aus Belluno die Seelsorge. <BR /><BR />Im September 1986 verließen auch die Bozner Franziskaner in Cortina die Chiesa Della Difesa und wurden durch italienische Mitbrüder aus dem Veneto ersetzt. <BR /><BR />Unter dieser Maßnahme litten besonders die vielen Geistlichen aus Cortina, die sich in der Diözese Brixen befanden. Es waren dies Robert Dimai, Elio Ghiretti, Angelo Cazzetta, Albert Caldara, Soave Costantini, Michelanlgelo Menardi, Angelo Polato, Alois Dadié, die Brüder Cleto und Angelo Alverà, Bruno Menardi und Bruno Majoni. Besonders hart traf die Maßnahme den Altgeneralvikar Alois Pompanin, der zur Optionszeit das Heil für die Südtiroler in Deutschland sah und nun erleben musste, wie seine geliebte Heimat zu einer italienischen Diözese kam. <BR /><BR />Ganz besonders unter der Diözesanregelung von 1964 litt die alteingesessene Bevölkerung von Cortina, die sehr an der Diözese Brixen hing. Dies war noch die einzige starke Verbindung mit Südtirol und mit den anderen ladinischen Tälern. <h3> Mit Bussen aus Protest nach Toblach</h3>Ich erinnere mich, wie die bekannte Kunstlehrerin Rosa Menardi de Vico (+2015), die aus ihrem Hause in Gilardon ein Museum gemacht hatte, sich mit anderen Bewohnern von Cortina nicht mehr im Ort die Sonntagsmesse besuchen wollte. Mit ihr haben viele Cortineser Autobusse organisiert und sind aus Protest zum Gottesdienst nach Toblach gefahren. <BR /><BR />Die Cortineser wollten nicht nur zurück zur alten Diözese, sondern verlangten wiederholt auch die Wiedervereinigung von Ampezzo, Col und Fodom mit Südtirol. Bei einer Umfrage am 28./29. Oktober 2007 stimmten 78,86 Prozent der Bürger für die Angliederung der drei Gemeinden an Südtirol.