<h3> Wer ist Ziad Houaoui, der Mann im Blumenkleid?</h3>6. September 2022: Ziad sitzt verkleidet als Frau auf einem Stuhl zwischen Küche und Wohnzimmer. Er weiß es noch nicht, aber heute wird sich sein Leben für immer verändern.<BR /><BR />Der damals 18-Jährige trägt ein lavendel-farbendes Blumenkleid, das gleichzeitig auch als Kopftuch dient. Florale Wirbel ziehen sich über das leicht fließende Gewand. Ziads freundliche Gesichtszüge lugen auf sein Handy, das mit einem Saugnapf am Fenster klebt. Wie so oft streamt er live – doch diesmal ist etwas anders.<BR /><BR />Innerhalb weniger Minuten wird sein Video tausendfach geklickt. Der 18-Jährige ist überfordert. „In dem Moment, wusste ich nicht, was ich machen sollte.“ Er ruf seine Mutter an: „Deine Klamotten wirst du mir jetzt dauerhaft überlassen müssen!“<h3> Der junge Mann im Blumenkleid heißt Ziad Houaoui </h3>Der junge Mann im Blumenkleid heißt Ziad Houaoui. Der 20-Jährige lebt in Leifers und ist hauptberuflich Influencer. Auf TikTok folgen ihm rund 120.000 Menschen. Für ein einminütiges Werbevideo verlangt er mittlerweile rund 1000 Euro. „Schnelles Geld“, fügt er trocken hinzu. Für sein erstes habe er rund 70 Euro erhalten: „Wow, so viel“, habe er sich damals gedacht.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1152972_image" /></div> <BR /><BR />Sein Erfolgsrezept: In seinen Videos spielt der 20-Jährige die Kunstfigur Yassins Mutter. In der Rolle der marokkanischen Mutter komprimiert er den Familienalltag in kurze Videosequenzen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund finden sich darin wieder. „Eine Gruppe, die in der Influencer-Blase häufig außer Acht gelassen wird.“ Gespickt mit Gesellschaftskritik. <h3> Marokkanische Wurzeln, Südtiroler Boden</h3>Ziads Mutter stammt aus Marokko, sein Vater aus Algerien. Der Vater ist im Bausektor tätig und nimmt auch Aufträge in Südtirol und im Trentino an. Am 2. September 2004 wird Ziad in Cles geboren – dem Hauptort des Nonsbergs im Trentino. Dort verbringt er die ersten 6 Monate seines Lebens.<h3> „Ich wusste, dass etwas nicht stimmte“</h3>Danach zieht die Familie nach Leifers, wo Ziad bis heute lebt. Er besucht dort Kindergarten, Grund- und Mittelschule. Zur Oberschule geht er in Bozen. Ziad ist 11 Jahre alt, als sein Vater innerhalb weniger Monate nach einer Krebsdiagnose aus dem Leben gerissen wird. „Es ging alles sehr schnell“, erzählt er. „Ich war klein damals. Meine Familie wollte mich schützen und die Krankheit vor mir verbergen. Doch als Kind spürt man, dass etwas nicht stimmt.“ <BR /><BR />Die Baufirma wird geschlossen. Die Familie hält zusammen, um sich über Wasser zu halten. Ziads Mutter jobbt in einer Mensa, seine Schwester in einer Pizzeria. „Manchmal frage ich mich, woher meine Mama all die Kraft nimmt. Sie ist einfach eine Super-Mami“, schildert der 20-Jährige. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1152975_image" /></div> <h3> Ziad gerät ins Visier seiner Mitschüler</h3>Nicht nur der Tod seines Vaters macht Ziad in jungen Jahren zu schaffen: „Mit der Mittelschule kam auch das Mobbing“, erinnert sich der heute selbstbewusste Influencer. Sein Migrationshintergrund und Gerüchte über seine angebliche sexuelle Orientierung bringen ihn ins Visiert seiner Mitschüler.<BR /><BR />Wie reagiert der damals 18-Jährige auf die Schikanen? Anstatt sich zu verstecken, rückt er sich selbst ins Rampenlicht; fängt mit social Media an. Im Internet thematisiert er Migration, Rassismus und sexuelle Freiheit – genau jene Themen, die Mobbern einst als Angriffsfläche dienten.<BR /><BR /> Er habe schon immer etwas künstlerisches machen wollen; auf einer Bühne stehen, singen, oder Theater spielen. Am 6. September 2022 postet Ziad schließlich das Video, das viral gehen sollte. Innerhalb von 24 Stunden erreicht es eine Million Aufrufe. Seither hat der Bozner Social Media zu sein Beruf gemacht. <h3> Ein Leben unter Dauerbeobachtung</h3>Doch die steigenden Followerzahlen und höherer Reichweite bringen ein Leben unter Dauerbeleuchtung. Die Reichweite ist Ziads ständiger Begleiter. „Jeder Marokkaner kennt mich.“ An ihnen bleibe Yassins Mutter besonders haften. Viele sprechen ihn auf der Straße an, wollen Fotos, oder einfach nur den Menschen hinter dem Profil kennenlernen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1152978_image" /></div> <BR /><BR />Ziad unterhalte sich gern mit seinen Fans, aber es gebe Tage, an denen ihm die ständige Aufmerksamkeit über den Kopf wachse: Tage, an denen er ungestört durch die Stadt laufen möchte: „Wie jeder andere.“ <h3> Sonne, Meer und Personenschutz – Kreuzfahrt mit meinem Bodyguard</h3>Doch für viele ist Ziad alles andere als irgendjemand. Diese Gewissheit setzt sich spätestens nach einem Sommerurlaub vor ein paar Jahren fest: Einer Kreuzfahrt nach Marokko. <BR /><BR />„Auf dem Kreuzfahrtschiff wimmelte es nur so von Marokkanern, die mich erkannt haben.“ Anfangs richteten viele Fans heimlich ihre Handykameras auf ihn, bis sie ihn schließlich vor der Rezeption einkreisten. „Wie eine Art Meet and Greet, nur eben ohne, dass ich davon wusste“, schmunzelt er.<BR /><BR /> „Du brauchst einen Bodyguard!, meinte die Rezeptionistin daraufhin zu mir. ,Ich? Einen Bodyguard? Ha! So ein Quatsch'“, sei Ziads erste Reaktion. Er ahnt damals nicht, dass ihm die nächsten 3 Tage ein Bodyguard nicht mehr von der Seite weichen wird. „Das war echt schräg. Ich wusste nicht, worüber ich mit ihm reden sollte, oder ob ich überhaupt etwas sagen sollte.“ <h3> Noch lange nicht am Ziel</h3>Dass der 20-Jährige einmal so bekannt werden würde, hätte er sich im Leben nicht erträumt. Doch ausgeträumt hat der Bozner noch lange nicht. „Mein eigentlicher Traum ist es, Sänger zu werden“, sagt er mit festem Blick. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1152981_image" /></div> <BR /><BR />Seit Kindesalter an nimmt er Gesangsstunden, 2023 veröffentlicht er seine erste Single, vor wenigen Tagen gewinnt er sein erstes Musikfestival in Bozen. „Beim Singen trage ich mein Innerstes nach außen. Besonders, wenn ich auf Englisch singe.“<BR /><BR />Um in der Musikbranche Fuß zu fassen, würde er auch seine Influencer-Karriere an den Nagel hängen. „Man muss seine Träume schließlich anpacken, damit sie in Erfüllung gehen.“ Genauso habe er es auch am 6. September 2022 gemacht.