Es ist die schiere Vielfalt auf engstem Raum, die dem erwachsenen Besucher der Kinderstadt MiniBZ in der Bozner Messehalle sogleich ins Auge sticht. <BR /><BR /><BR />Von der Tischlerei ist der Weg zum Fotolaboratorium nicht weit, die Theaterwerkstätte konkurriert mit der Akademie der Bildenden Künste, im Elektronik Lab wird gelötet, in der Schneiderei repariert und genäht.<BR /><BR /> Irgendwann ist die Zeit reif für einen Besuch in der Pizzeria, im Kino oder im Zirkus, denn wer hart arbeitet, soll sich auch mal ein Vergnügen leisten dürfen. Bürger der Kinderstadt wissen um ihre Rechte und Pflichten, denn sie orientieren sich an festgeschriebenen Regeln, tragen Mitspielhefte und Arbeitskarten mit sich herum, bewerben sich um Jobs in diversen Bereichen und kümmern sich beim Bankschalter um ihre Geldangelegenheiten. Bloß ein Renteninstitut vermisst man hier noch, aber das wäre dann wohl doch eine Spur zu viel der Imitation. <h3> 60 unterschiedliche Spiel- und Arbeitsstätten</h3>„Wir hatten heuer den größten Andrang, seit es die Kinderstadt gibt, was die Beliebtheit des Konzepts bestätigt, aber uns auch an gewisse Grenzen bringt“, sagt VKE-Direktorin Angelika Stuefer, während sie durch die verschachtelten Bereiche der Kinderstadt führt. In den beiden Wochen vom 17. bis 28. Juni beteiligten sich phasenweise bis zu 940 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren täglich am großen Rollenspiel in der Messehalle mit mehr als 60 unterschiedlichen Spiel- und Arbeitsbereichen. Sie alle wollen eingebunden, beschäftigt und verköstigt werden, mitunter braucht es freilich auch aufmunternde, tröstende oder mahnende Worte.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1045773_image" /></div> <BR /> Somit dürfte die stattliche Anzahl von rund 150 jugendlichen und erwachsenen Helfern und Betreuern kaum überraschen – manche wurden eigens angestellt, andere verrichten hier soziale Dienste. „Wir haben auch mehrere Experten hier, damit den Kindern eine lehrreiche Beratung zuteil wird, beispielsweise im Elektronik-Upcycling, in der Radwerkstätte, im T-Shirt-Design oder im Bereich Rapmusik“, zählt Angelika Stuefer auf. <BR /><BR />Grundsätzlich werden erwachsene Besucher bzw. Eltern oder Verwandte hier zwar geduldet, allerdings dürfen sie nicht alleine durch die Kinderstadt flanieren, sondern können eine Stadtführung in Anspruch nehmen. <BR />Wie in jeder Stadt braucht es auch in der Kinderstadt essenzielle Dienste wie einen Info Point, ein Meldeamt, eine Post, einen Bankschalter, einen Kehrdienst und sogar eine Anlaufstelle für Beschwerden. Letztlich laufen die Fäden im Rathaus beim Bürgermeister zusammen. Dieser wird mitsamt Referenten im Zuge einer Bürgerversammlung gewählt, Kandidaten mit einem vielversprechenden Programm sind im Vorteil. Bei den Bürgerversammlungen werden zudem wichtige Anliegen der Kinder vorgebracht und diskutiert. <h3> Neue Perspektiven und Freundschaften</h3>Durchaus können Konflikte oder Ärgernisse vorkommen – derartige Dinge sollen mit Dialogbereitschaft oder Mediation bereinigt werden. „Die Partizipation am großen Ganzen und das Verinnerlichen von grundlegenden Werten wie Respekt, Solidarität oder das friedliche Miteinander aller Kinder gehören zum tragenden Konzept der Kinderstadt“, führt Angelika Stuefer aus. Speziell soll das Rollenspiel die kindliche Vorstellungswelt erweitern – neue Perspektiven eröffnen und einen Einblick in die Komplexität der Erwachsenenwelt gewähren. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1045776_image" /></div> <BR />Davon einmal abgesehen wäre wohl alles nur halb so interessant, wenn nicht der Spaß und Erlebniswert an allererster Stelle stehen würden. Und so fallen einem beim Besuch der Kinderstadt auch nicht Regeln auf, sondern vielmehr ein schillerndes Tohuwabohu. In jeder Ecke scheint die Welt neu erschaffen zu werden, von überall her kommen Zurufe und Einladungen, neue Freundschaften werden quasi im Vorbeigehen geknüpft. Ein bisschen fühlt man sich an Pippi Langstrumpfs Motto erinnert: „Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt.“ <BR /><BR />Der große Zuspruch ist sicher auch mit dem gestiegenen Bedarf an Sommerbetreuung und den vergleichsweise niedrigen Preisen (Wochenabo mitsamt Mittagessen um 80 Euro) zu erklären. Nach 2 sehr intensiven Wochen sind vor allem die Betreuer froh, dass sie nun selbst mal abschalten und neue Energien schöpfen können. Andererseits ist mit dem Ende stets auch ein Gefühl der Melancholie verbunden – wie bei den allermeisten Kindern der Kinderstadt.