Bei der Lieferung von Schutzausrüstung für das Sanitätspersonal im Jahr 2019 gab es weder unlautere Geschäfte noch politische Absprachen, urteilte Untersuchungsrichter Ivan Perathoner, der die Ermittlungen gegen den Oberalp-Chef damit einstellte. Für Heiner Oberrauch ist das noch lange kein Grund zum Aufatmen, wie er im Interview betont. Auch eine Klage werde in Betracht gezogen. <BR /><BR /><b>Herr Oberrauch, wie geht es Ihnen nach 3 Jahren Corona, das Sie und Ihr Unternehmen ja ganz besonders getroffen hat?</b><BR />Heiner Oberrauch: Ja, es ist für mich eine unglaubliche Geschichte, dass man helfen wollte, dass man im Regen stehen gelassen worden ist und dass sogar gegen mich und die Führungscrew des Unternehmens ermittelt wurde, dass man 2 Jahre lang abgehört wurde und wir immer noch auf unser vorgestrecktes Geld warten, was uns jetzt mit den erhöhten Zinsen in starke Not bringt.<BR /><BR /><b>Was bedeutet es für Sie, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Sie eingestellt hat?</b><BR />Oberrauch: Es ist für mich die Bestätigung, dass mein Unternehmen und meine Familie vor 3 Jahren der Südtiroler Politik und Sanität in einer entstandenen Notlage helfen wollten, mit allen Mitteln und Kräften. Daran kann nichts Falsches gewesen sein, schon gar nicht eine böse Absicht. Der wahre Skandal besteht darin, dass die Hilfsaktion im Nachhinein mit großem Ermittlungsaufwand in ein schiefes Licht gestellt worden ist. Das schmerzt. <BR /><BR /><b>Die Ermittlungen liefen nun 3 Jahre lang und das entstandene Aktenvolumen ist riesig. Im Abschlussbericht steht, dass das von Oberalp gelieferte Material nicht den Bestimmungen für Schutzmaterial entsprochen hat und damit nicht zulässig war...</b><BR />Oberrauch: Wir haben über unsere Kontakte die angeforderten Waren vermittelt. Die Eignung und Qualität für die Einsatzbereiche dieser Schutzausrüstungen zu bewerten lag in der Kompetenz der Sanitätsbehörden. Wir haben immer betont, dass wir von Schutzausrüstung nichts verstehen. Helfen wollten wir trotzdem.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="894956_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie sah es damals mit der Verfügbarkeit von Covid-Schutzmaterialien aus?</b><BR />Oberrauch: In einer weltweiten Notlage, wo ganze Staaten um jede verfügbare Maske mit allen Mitteln gekämpft haben und es nur darum gegangen ist, wer mit der größten Geschwindigkeit Aufträge am Weltmarkt platziert und Geld in bar vorstreckt, kann niemand auf bürokratische Abläufe und geltende Standards schauen. An diese Dramatik von damals, wo innerhalb Stunden gehandelt werden musste und das Sanitätspersonal im restlichen Italien zum Teil mit Müllsäcken und Papiertaschentüchern als Mundschutz durch die Spitäler gelaufen ist, will sich nun niemand mehr erinnern. Das ist der zweite Skandal. In einer Notlage, wo es um das Überleben gegen ein unbekanntes Virus ging, können nicht dieselben Gesetze, Regeln und Abläufe gelten wie in normalen Zeiten. Wenn es um Tage und Stunden geht, sind Verträge und Absicherungen zweitranging. Es gibt nur die gute Absicht und Hoffnung, zu helfen und Menschenleben zu retten, wenn irgendwie möglich. Und diese hatten wir.<BR /><BR /><b>Ist damit diese Sache für die Oberalp abgeschlossen?</b><BR />Oberrauch: In keinem Fall, wir warten immer noch auf die ausstehenden gut 25 Millionen Euro. Weiterhin wird unser Management verdächtigt, welches diese ganze Hilfsoperation gemanagt hat, strafbare Handlungen begangen zu haben. So werden die Helfer zu Tätern gemacht. Dies belastet mich und das ganze Unternehmen weiterhin. Das Oberalp Management hat in den ersten Wochen dieser Pandemie Tag und Nacht für diese Hilfsaktion gearbeitet und sieht sich jetzt als Beschuldigte für Vorgänge, für die sie nicht verantwortlich waren. Weder hat die Oberalp Waren importiert und schon gar nicht eine betrügerische Absicht verfolgt. Das sind Hypothesen und einseitige Vorwürfe der Ermittler, welche auch mit aufwändigen Lausch- und Beschattungsaktionen auf unzählige Personen in 3 Jahren zu einem über 2000 Seiten langen Bericht gelangt sind. Die Gerichtspolizei ist am 23. Dezember (!) zu zahlreichen Hausdurchsuchungen angetreten und hat am Vorweihnachtstag um 6 Uhr früh auch die Kinderzimmer meiner Enkel kontrolliert. Das zeigt, wie übertrieben diese Ermittlungen angelegt wurden. Was jemanden zu solchen Aktionen veranlasst, können wir nicht verstehen.<BR /><BR /><b>Und was sind ihre Vermutungen?</b><BR />Oberrauch: Offenbar kann sich ein Ermittler nicht vorstellen und es passt nicht in seine Gedankenwelt und Lebenserfahrung, dass ein Unternehmen Millionen an Dollar für eine Hilfsaktion vorstreckt und dies ohne große Absicherung von Verträgen und Dokumenten tut. Bei einem solchen Vorgehen vermutet man sofort ein illegales Geschäft oder einen kriminellen Hintergedanken. Die Ermittler haben sich dann in eine Vermutung verstiegen und versucht, ihre These mit Beweisen zu erhärten. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte eine öffentliche Ausschreibung beeinflusst und von Anfang an über Mängel an der vermittelten Ware gewusst. Das hat nicht einmal der Staatsanwalt geglaubt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59521544_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Sie haben das Geld, welches sie für die SABES vorgestreckt haben, noch nicht zurückbekommen. Was wollen Sie nun tun?</b><BR />Oberrauch: 3 Jahre, nachdem man uns damals beauftragt hat, Schutzmaterial in großer Menge für die Südtiroler Sanität vorzufinanzieren, für diese zu bestellen und auch noch den Transport zu organisieren, ist immer noch nichts passiert. Von Politik und SABES-Verwaltung war uns von Anfang an und auch danach immer wieder versichert worden, dass wir das vorgestreckte Geld zurückbekommen. Dazu hat es auch verschiedene Gespräche mit der Politik und Versuche von SABES gegeben, leider ohne Erfolg. Wenn die Anwälte keine gütliche Lösung dieser Frage finden, werden wir um eine Klage gegen die Sanitätseinheit in Millionenhöhe samt Zinsen nicht herumkommen. Die Millionen Dollar, welche wir für die öffentliche Hand vorgestreckt haben, fehlen uns in unserem Unternehmen für notwendige Investitionen und gefährden gerade jetzt bei den höheren Zinsen die Entwicklung unseres Unternehmens. Diese Summen sind kein Pappenstiel – und die Politik und Verwaltung der SABES haben die sofortige Rückgabe – maximal 2 bis 3 Wochen – versprochen, als man in einer Notlage war. Nun gibt es offensichtlich keine Lösung. Das ist bitter und belastend. <BR /><BR /><b>Die Staatsanwaltschaft erhebt aber schwere Vorwürfe gegen die Oberalp und die Sanitätseinheit: Das Material sei nicht brauchbar gewesen und die negativen Prüfberichte hätte man unterschlagen.</b><BR />Oberrauch: Das ist ja ein Wahnsinn an verdrehten Tatsachen. Die Ermittler der NAS vertreten unverständlicherweise ihre These, die Oberalp hätte das große Geschäft machen wollen und die Sanitätsverantwortlichen hätten die Gesundheit der Angestellten aufs Spiel gesetzt. Fakt ist, dass in der damaligen Notlage, an die sich nun niemand erinnern will, eine außergewöhnliche Hilfeleistung das einzige Ziel war. „In einer Notlage, wo man mit bloßen Händen gegen ein unsichtbares Virus gekämpft hat“ – ich zitiere den nun ebenfalls angeklagten damaligen Regierungschef Giuseppe Conte – , gibt es kein regelkonformes Vorgehen. Wie sonst hätte man uns als Sportartikel-Unternehmen gefragt, ob wir helfen könnten? Wir haben immer deutlich gesagt, dass wir von den angeforderten Materialien nichts verstünden und dies auch nicht unser Business wäre. Aber damals war jedem alles recht – Hauptsache, jemand tat etwas, um zu helfen. Nun wirft man uns vor, wir hätten Qualitätskontrollen durchführen müssen, um die Eignung der vermittelten Schutzausrüstung zu beweisen. Das ist nicht nur ungerecht, weil wir dazu weder die Kompetenz noch als Vermittler den Auftrag gehabt hätten, sondern wäre auch wegen der Reisebeschränkungen und Lock-Downs unmöglich gewesen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="894977_image" /></div> <BR /><BR /><b>Rechnen Sie mit einem Verfahren gegen Ihre Mitarbeiter?</b><BR />Oberrauch: Das muss der Untersuchungsrichter entscheiden. Ich hoffe sehr, dass dieser nicht den Ermittlungsberichten mehr Gehör schenkt als den offensichtlichen Tatsachen, und dass er uns genügend Zeit gibt, angehört zu werden und sich im Detail damit auseinandersetzt. <BR /><BR /><b>Wie ist es damals genau abgelaufen, als man an die Firma Oberalp herangetreten ist?</b><BR />Oberrauch: Die Oberalp hat auf 3 Hilferufe des Sanitätsbetriebes und der Politik reagiert und sich damit nach der These der Ermittler – wie es scheint – schuldig gemacht. Wir hörten damals: <BR />1. Könnt ihr bitte Schutzmaterialien gegen dieses Virus irgendwo auftreiben, <BR />2. könnt ihr bitte 29 Millionen an Dollar vorfinanzieren, weil wir als öffentliche Hand nicht in fremden Währungen bezahlen können, und<BR /> 3. könnt ihr bitte den Transport mit Passagierflugzeugen der österreichischen AUA organisieren, nachdem der italienische Zivilschutz seine Transportzusagen nicht mehr einhalten konnte. So war es, und nicht anders. <BR /><BR />Wir verstanden damals, dass die SABES als öffentliche Institution weder Dollarbeträge sofort an unbekannte chinesische Unternehmen zahlen konnte noch sich um Transporte kümmern, weil man ja jeden Tag schauen musste, wo man die Patienten unterbringt und wie man sie behandelt. Deshalb hatten wir uns vor 3 Jahren verpflichtet gefühlt, auf diese Notrufe zu reagieren. Entweder man glaubt, dass man zum damaligen Zeitpunkt Hilfe in einer dramatischen Notlage leisten sollte oder sogar musste, oder man glaubt der These der Ermittler, dass die Oberalp in dieser dramatischen ehemaligen Situation Zeit und Energie hatte, sich unlautere Geschäfte in einem völlig unbekannten und zudem äußerst komplizierten Segment zu überlegen. Wir sind hier in die Mühlen der Ermittler und der öffentlichen Bürokratie geraten. Deshalb hoffe ich, dass es zu keiner Anklage gegen das Management der Oberalp kommt. Sollte es anders sein, dann werden wir in den Gerichtsverfahren die Vorhaltungen Punkt für Punkt entkräften.<BR /><BR /><BR />HINTERGRUND<BR /><BR /> Rund um die Covid-Schutzausrüstung aus China ermittelte die Bozner Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlich betrügerischen Handlungen bei öffentlichen Lieferungen und wegen Störung der freien Durchführung von Versteigerungen. Anfang Februar wurde die Ermittlung abgeschlossen.<BR /><BR /> Aufrecht blieben Verdachtsmomente gegen 7 Personen wegen unterschiedlicher Vorwürfe: Sanitätsdirektor Florian Zerzer, Oberalp-Geschäftsführer Christoph Engl, Patrick Franzoni, stellvertretender Leiter der Covid-19-Taskforce, Enrico Wegher, Verwaltungsdirektor des Sanitätsbetriebes, Manuel Stecher, kaufmännischer Leiter und Stefan Rainer, Vertriebschef, beide bei der Firma Oberalp und Peter Auer, in dessen Eigenschaft als von der Wettbewerbsbehörde ernanntes Expertenmitglied.<BR /><BR /> Zu den Akten gelegt wurde hingegen – neben jener gegen Heiner Oberrauch – auch die Ermittlung gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher, Ex-Landesrat Thomas Widmann und den Enzian-Landtagsabgeordneten Josef Unterholzner. Am 16. Juni werden am Landesgericht Abhörungen, die die Fahnder gemacht haben, durchgesiebt, um nur jene herauszufiltern, die für die Ermittlung relevant sind. Alle anderen, die nicht direkt mit dem Fall zu tun haben, werden vernichtet.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /></TD><TD><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /></TD><TD><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />