<b>von Rolf Steininger</b><BR /><BR />Vor Auschwitz hatten sowjetische Truppen bereits im Juli 1944 Majdanek in Polen und am 13. Oktober 1944 Riga-Kaiserwald in Lettland befreit. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1122768_image" /></div> <BR /><BR />Aber in Auschwitz ahnten sie, dass sich dort etwas „Größeres“, Grauenhaftes abgespielt haben musste: In den Lagerhäusern fanden sie 350.000 Männeranzüge, 837.000 Frauenkleider und große Mengen an Kinder- und Babykleidung, Zehntausende Paar Schuhe und 7,7 Tonnen menschliches Haar in Papiertüten, fertig für den Transport verpackt. Hier hatte es millionenhaften Mord gegeben.<BR /><BR />1989 hat der Holocaust-Überlebende <b>Professor Israel Gutman</b> von der Hebräischen Universität in Jerusalem im Auftrag der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die „Enzyklopädie des Holocaust“ herausgegeben. Auschwitz wurde da <i>„der größte Friedhof der menschlichen Geschichte“</i> genannt. Ich fand das schon damals nicht angemessen. Auf einem Friedhof werden Menschen in der Regel in Würde bestattet. Auschwitz war kein Friedhof, es war die größte Mordfabrik der menschlichen Geschichte! Dort wurden die Menschen vergast und verbrannt.<h3>Wie gemordet wurde</h3>Wir wissen heute, wie gemordet wurde. Der ehemalige Auschwitz-Kommandant <b>Rudolf Höß</b> beschrieb das später so: <BR /><i>„Zuerst kamen die Frauen mit den Kindern hinein, hernach die Männer. Die Tür wurde schnell zugeschraubt und das Gas in einen Luftschacht geworfen. Durch das Beobachtungsfenster konnte man sehen, dass die dem Einwurfschacht am nächsten Stehenden sofort tot umfielen. Die anderen fingen an zu taumeln, zu schreien und nach Luft zu ringen. Das Schreien ging bald in ein Röcheln über, und in wenigen Minuten lagen alle. Eine halbe Stunde nach dem Einwurf des Gases wurde die Tür geöffnet und die Entlüftungsanlage eingeschaltet. Den Leichen wurden nun durch das Sonderkommando die Goldzähne entfernt und den Frauen die Haare abgeschnitten. Hiernach wurden sie durch den Aufzug nach oben gebracht vor die inzwischen angeheizten Öfen.“</i>Höß wurde 1947 von einem polnischen Sondertribunal zum Tod durch den Strang verurteilt und in Auschwitz hingerichtet.<h3>Der Weg zum Vernichtungslager</h3>Am 27. April 1940 befahl <b>Heinrich Himmler,</b> Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei, den Bau eines neuen, großen Konzentrationslagers, zunächst gedacht als Straflager für polnische Kriegsgefangene. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1122771_image" /></div> <BR /><BR />Zum Kommandanten wurde der 39-jährige SS-Hauptsturmführer Rudolf Höß ernannt. Das neue Lager wurde Auschwitz I, das sich schon bald viel größer als geplant entwickelte, als deutsche Unternehmer die neuen Möglichkeiten erkannten. Als erstes beschlossen die IG Farben, damals der größte Chemiekonzern der Welt, Ende 1940 den Bau einer neuen Fabrik für synthetisches Benzin und Gummi – in Auschwitz. Dort gab es gute Bahnverbindungen, Rohstoffe und vor allen Dingen massenhaft günstige Arbeitskräfte, d. h. Zwangsarbeiter, die die SS zur Verfügung stellte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1122774_image" /></div> <BR /><BR />Mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 und dem Beschluss zur <i>„Endlösung der Judenfrage“</i> änderte sich auch die Struktur des Lagers. In seinen, während seiner Haft in Polen 1947 entstandenen Memoiren beschrieb Rudolf Höß, wie Auschwitz zum Tötungszentrum bestimmt wurde. Im Sommer 1941 sei er plötzlich zum Reichsführer SS nach Berlin befohlen worden, wo der ihm dem Sinne nach folgendes eröffnet habe:<BR /><i><BR />„Der Führer hat die Endlösung der Judenfrage befohlen, wir – die SS – haben diesen Befehl durchzuführen. Die bestehenden Vernichtungsstellen im Osten sind nicht in der Lage, die beabsichtigten großen Aktionen durchzuführen. Ich habe daher Auschwitz dafür bestimmt, einmal wegen der günstigen verkehrstechnischen Lage, und zweitens lässt sich das dafür dort zu bestimmende Gebiet leicht absperren und tarnen... Wir besprachen weiter die Durchführung der Vernichtung. Es käme nur Gas infrage, denn durch Erschießung die zu erwartenden Massen zu beseitigen, wäre schlechterdings unmöglich und auch eine zu große Belastung für die SS-Männer, die dies durchführen müssten, im Hinblick auf die Frauen und Kinder.“</i>Schon im März 1941 hatte Himmler die Errichtung eines größeren Lagers befohlen, das ab Oktober 1941 entstand. Es wurde Birkenau, auch Auschwitz II genannt. Birkenau wurde die Tötungsfabrik mit Gaskammern und Krematorien. Dort kamen die Züge an, dort führten SS-Offiziere auf der <i>„Judenrampe“</i>, wie sie das nannten, die<i> „Selektionen“</i> durch, die über sofortigen Tod in den Gaskammern oder zur Zwangsarbeit – und späteren Tod – entschieden. Für Letztere gab es Auschwitz III mit zahlreichen Nebenlagern. Hier wurden sie zunächst bis zur völligen Erschöpfung und schließlich bis zum Tod ausgebeutet.<BR /><BR />In Auschwitz I wurde am 3. September 1941 zum ersten Mal mit ZYKLON B gemordet. Opfer waren sowjetische Kriegsgefangene. Ab März 1942 brachten die Züge fast täglich Juden aus den besetzten Ländern nach Birkenau.<BR /><BR />In fast allen Konzentrationslagern wurden auch pseudomedizinische Experimente durchgeführt. Für Auschwitz steht hier der Name <b>Josef Mengele</b>, genannt <i>„Todesengel“,</i> dessen Opfer Kinder, jugendliche Zwillinge und Kleinwüchsige waren.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1122777_image" /></div> <h3>Widerstand und Todesmarsch</h3>Man kennt den Satz, der oftmals wie ein versteckter Vorwurf klingt: Die Juden seien wie die Lämmer zur Schlachtbank gegangen, Widerstand habe es nicht gegeben. So einfach ist das allerdings nicht. Im Rahmen des Möglichen gab es Widerstand – auch in Auschwitz. Seit 1943 bei den Männern des Sonderkommandos, die in den Krematorien für das <i>„ordnungsgemäße“</i> Verbrennen der Leichen sorgen mussten. Das waren etwa 2000 Männer, die meisten Juden. Sie wurden von der SS vom Rest des Lagers streng separiert, denn nur ihnen war das ganze Ausmaß der Vernichtung bekannt. Als Zeugen der Verbrechen würden sie in jedem Fall nicht überleben.<BR /><BR />Am 7. Oktober 1944 organisierten sie einen Aufstand und versuchten, ein Krematorium zumindest zu beschädigen. Der Versuch scheiterte, 451 Häftlinge wurden von der SS getötet. Es bleibt die symbolische Bedeutung dieses Widerstandsaktes. Erfolgreicher war aber etwas anderes: Tagebücher, in denen die Häftlinge die Verbrechen von Auschwitz dokumentierten. Sie konnten die Tagebücher vergraben. Erst sehr viel später wurden sie entdeckt und legten Zeugnis über Auschwitz ab.<BR /><BR />Angesichts des Vorrückens der Roten Armee befahl Himmler, die Beweise für die Verbrechen zu beseitigen. Im November und Dezember 1944 wurden die technischen Installationen der Gaskammern und der Krematorien I und II abgebaut und in das Lager Groß-Rosen in Niederschlesien gebracht. Einige der Lagerhäuser mit den von den Juden gestohlen Gütern wurden gelehrt; die wertvollen Gegenstände per Zug nach Deutschland geschickt, der Rest zerstört. <BR /><BR />Mitte Januar wurden die Deutschen vom Vorstoß der Sowjetarmee in Richtung Krakau und Auschwitz überrascht und zu einem überstürzten Rückzug gezwungen. Ein Ergebnis war der berüchtigte <i>„Todesmarsch von Auschwitz“</i>, der am 18. Januar 1945 begann: Etwa 60.000 Gefangene aus Auschwitz und seinen Nebenlagern, meist Juden, wurden nach Westen in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Mauthausen geschickt. Auf diesem Marsch starben mindestens 15.000 Menschen.<h3>Warum haben die Alliierten Auschwitz nicht bombardiert?</h3>Dies war und ist eine der letzten großen Fragen des Zweiten Weltkrieges, zumal die Alliierten spätestens seit Juni 1944 wussten, was in Auschwitz geschah. Am 7. April 1944 war 2 Häftlingen die Flucht aus Birkenau gelungen. Mit dabei hatten sie einen detaillierten Lageplan des Krematoriums, Listen über bisherige Opfer und das Etikett einer ZYKLON B Büchse. Auf der Grundlage dieser Unterlagen und der Aussagen dieser beiden und 2 weiteren Flüchtlingen erstellte ein Vertreter des Jewish Council 2 Berichte, die als <i>„Auschwitz-Protokolle“</i> bekannt geworden sind. Auf verschlungenen Wegen gelangten sie in den Westen. <BR /><BR />Jüdische Organisationen baten um die Zerstörung der Bahnlinien nach Auschwitz. Die Anweisung von US-Präsident <b>Roosevelt</b>, das von ihm ins Leben gerufene War Refugee Board entsprechend zu unterstützen, wurde von Beamten im Kriegsministerium ignoriert. Premierminister <b>Winston Churchill</b> erteilte eine persönliche Vollmacht, einen Angriff zu prüfen. Auf der unteren Ebene wurde das mit dem Argument abgelehnt, dass man dabei <i>„wertvolle“</i> Menschenleben riskiere. Die Diskussion war komplex und kontrovers. In London und Washington war möglicherweise auch Antisemitismus im Spiel. Gab es einen besseren Weg, Juden zu retten? Deutschland so schnell wie möglich zu besiegen. Überlebende waren der Meinung, Auschwitz hätte bombardiert werden sollen, auch wenn es Opfer unter den Gefangenen gegeben hätte. Technisch wäre eine gezielte Bombardierung jedenfalls möglich gewesen. <h3>Gedenktag</h3>In Deutschland wurde später in mehreren <i>„Auschwitz-Prozessen“</i> zumindest versucht, die Verbrechen von Auschwitz juristisch aufzuarbeiten, mit zweifelhaftem Erfolg. Die unsägliche <i>„Auschwitz-Lüge“</i> lebt jedenfalls weiter, die Behauptung der Holocaust-Leugner, es habe in Auschwitz keine Gaskammern gegeben, alles sei Kriegspropaganda der Siegermächte und Teil einer jüdischen Weltverschwörung.<BR />Seit 1996 gilt der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, mit einer jährlichen Feierstunde im deutschen Bundestag, 2005 erklärten die Vereinten Nationen das Datum zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Daran zu erinnern ist angesichts eines zunehmenden Antisemitismus offensichtlich notwendiger denn je.<BR /><BR />PS: Eine Spezialeinheit der US Army filmte im April 1945 in den Konzentra- tionslagern Buchenwald und Dachau. Deren außergewöhnliche Farbfilme galten jahrzehntelang als verschollen. 1979 wurden sie von Heribert Schwan und Rolf Steininger in den USA entdeckt. Sie produzierten damit für den WDR die Dokumentation „Ihr habt es gewusst!“ Die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau nach der Befreiung“. <BR /><BR />Der Film ist abrufbar auf: www.rolfsteininger.at unter dem Menüpunkt „Deutschland 1945–1949“.