Politisch wackelig, wirtschaftlich wankend: Woran denken Sie? Bis vor wenigen Jahren wäre die Antwort klar gewesen: Italien. Jahrzehntelang lahmte die Wirtschaft, Regierungen wechselten beinahe mit den Jahreszeiten. Doch das Bild hat sich gewandelt. <BR /><BR />Premier Giorgia Meloni hält ihre Mitte-Rechts-Koalition erstaunlich gut zusammen, die Wirtschaft wächst, ebenso die Produktivität. Auch Spanien durchlebt eine ungeahnte Stärkephase. Vergessen scheinen die Jahre, in denen der Süden nur müde belächelt wurde. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68680001_quote" /><BR /><BR />Im Krankenbett Europas fiebern nun andere. Ausgerechnet Deutschland und Österreich – einstige Musterländer Europas. Fieber ist eine systemische Reaktion, und so ist es auch hier: Deutschland steckt nicht nur in einer Konjunktur-, sondern vielmehr in einer strukturellen Krise. Die 2010er-Jahre wurden mit Selbstzufriedenheit vergeudet, Reformen verschleppt, Infrastruktur und Digitalisierung vernachlässigt.<BR /><BR /> Und das rächt sich jetzt. Deutschland und einige seiner führenden Industrien haben sich verkalkuliert. Zugespitzt hat sich die Lage während (oder wegen) der Ampelregierung, der es selten gelang, ideologische Differenzen zu überbrücken. Eine wichtige Chance, um die politischen Ränder klein zu halten, wurde dadurch verspielt.<BR /><BR />Umso wichtiger wird es nach der morgigen Bundestagswahl sein, dass sich die politischen Parteien ihrer Verantwortung bewusst werden. Scheitert ein Koalitionsprojekt der Mitte – vermutlich unter CDU-Führung – ein weiteres Mal, würde dies wohl eine neuerliche Sonderkonjunktur für die AfD bedeuten. Ob die viel zitierte Brandmauer dann noch aufrechtzuerhalten wäre? <BR /><BR /><embed id="dtext86-68680005_quote" /><BR /><BR />Politisch und wirtschaftlich an einem Tiefpunkt angelangt, ist auch Österreich. Das Land erlebt die längste Flaute in der Zweiten Republik und tappt politisch seit vielen Monaten im Dunkeln. Den Eindruck, den das politische Schauspiel der Rot-weiß-roten Nachbarn bei der Bevölkerung hinterlässt, ist zumindest zweifelhaft. Dass für die Akteure das Schicksal des Landes an erster Stelle steht, dürften viele kritisch hinterfragen. Das nährt die prosperierende Politikverdrossenheit.<BR /><BR />Trotz der Schwierigkeiten, die Deutschland und Österreich derzeit erleben, ist übertriebener Pessimismus unangebracht. Mit einem stabilen politischen Rahmen, der ein günstiges Umfeld für die Unternehmen und den Wirtschaftsstandort schafft, ist ein Aufbäumen der Patienten wahrscheinlich. Beide eint ein starker Mittelstand, der durchaus innovativ und wettbewerbsfähig sein könnte, wenn man ihn nur ließe.<BR /><BR /><embed id="dtext86-68681401_quote" /><BR /><BR />Für Südtirol wäre ein starkes Comeback Deutschlands und Österreichs ebenfalls wichtig. Schließlich zählen sie zu den bedeutendsten Exportmärkten. Aktuell spürt Südtirol deren Schwäche nur in milder Form, mit der Zeit steigt jedoch die Ansteckungsgefahr. Der Tourismus hingegen scheint unverwüstlich: Seit Corona steht allerorts der Urlaub ganz oben auf der Prioritätenliste.<BR /><BR />Fazit? Bei Deutschland und Österreich ist derzeit so viel Negatives eingepreist, dass es fast nur besser werden kann. Oder, um im Bild der Medizin zu bleiben: Das Fieber ist hoch, die Krise akut (und die Patienten auch etwas wehleidig) – doch mit der richtigen Therapie ist eine baldige Erholung möglich. Ob der politische Wille für eine Genesung ausreicht, wird sich zeigen.<BR /><BR /> <a href="mailto:rainer.hilpold@athesia.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">rainer.hilpold@athesia.it</a><BR /><BR /><b> <a href="https://www.stol.it/tag/Kommentar" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Alle Kommentaren und Analysen auf STOL finden Sie hier. </a></b>