Sonntag, 21. April 2024

Luis Durnwalder: „Ich bin kein Heiliger“

Er ist – 10 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik – noch immer äußerst beliebt bei den Südtirolern: Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder. Im STOL-Sonntags-Gespräch erzählt er, wie sich das Politik-Machen in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, warum viele Südtiroler alles als selbstverständlich erachten, was er von veröffentlichten Telefongesprächen hält und warum er kein Heiliger ist.

Luis Durnwalder: „Ich bin und war ein einfacher Bürger. Ich habe immer gesagt, ich bin ein Typ wie ihr. Ich bin kein Heiliger.“ - Foto: © DLife

Von:
Arnold Sorg
STOL: Herr Durnwalder, wo wird wirklich Politik gemacht: Im Hinterzimmer, im Gasthaus, beim Watten oder doch im Landtag?
Luis Durnwalder: Die offizielle Politik wird natürlich im Landtag gemacht, da die Leute ja sehen wollen, wie und was beschlossen worden und von wem was gesagt worden ist. Sobald über etwas abgestimmt wird, glauben die Leute dann, dass das gerade in diesem Moment entschieden worden ist. Das stimmt aber nicht ganz.

STOL: Sondern?

Durnwalder: Die wahre Politik, die Vorbereitung und die Verhandlungen, das findet schon viel früher statt, im stillen Kämmerlein. Man trifft sich, verhandelt und schaut, dass man Mehrheiten findet.

Ich bin über das Watten ja erst in die Politik gekommen.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Also wird im Gasthaus die hohe Politik gemacht?
Durnwalder: Natürlich finden solche Treffen auch bei einem gemütlichen Beisammensein im Gasthaus statt. Dort lässt es sich leichter reden und dort kommt oft auch das zum Vorschein, was man im Plenum im Landtag gar nicht sagen dürfte.

STOL: Haben Sie bestimmte Dinge auch bei Ihrer Lieblingsbeschäftigung, beim Watten, ausgemacht?
Durnwalder: Ja natürlich. Ich bin über das Watten ja erst in die Politik gekommen. Es war im Jahr 1969, als ich im Gasthaus beim Karten war, als man mich gefragt hat, ob ich für das Bürgermeisteramt in Pfalzen kandidieren würde.

Wechsel an der Spitze des Landes: Auf den Vater des Paketes, Silvius Magnago (l.), folgte 1989 Luis Durnwalder.



STOL: Wie hat sich das Politik-Machen in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Durnwalder: Das hat sich enorm verändert. Früher hatten die Leute in Südtirol nichts. Damals hat sich die Bevölkerung ungemein gefreut, wenn man etwas neues gebaut hat, wenn man etwas realisieren konnte. Heutzutage ist es so, dass die Leute in Südtirol teilweise so verwöhnt sind, dass sie gleichzeitig mit dem Beschluss der Landesregierung den Rekurs mitschicken, weil etwas zu groß, zu schön oder zu teuer ist.

Viele wollten es dem Luis einfach mal sagen. Ob diese Sprechstunde vernünftig war oder nicht, das kann ich nicht beurteilen.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Sind die Südtiroler zu verwöhnt, ist alles zu selbstverständlich?
Durnwalder: Sie sehen den Wert der Dinge, die gemacht werden, nicht mehr so, wie früher. Das wirkt sich natürlich auch auf den Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung aus.

STOL: Sie waren bekannt für Ihre Volksnähe, haben jeden Tag um 6 Uhr in Früh Bürger zu einer Sprechstunde ins Palais Widmann in Bozen geladen. Was hat Ihnen das wirklich gebracht außer wenig Schlaf?
Durnwalder: Wenig Schlaf hat es auf jeden Fall gebracht. Ich bin ja niemand, der mit den Hennen schlafen geht. Manchmal bin ich nach Hause gekommen, habe geduscht und bin dann zur Sprechstunde ins Palais Widmann gegangen. Ich habe den Bürgern einfach ein Angebot gemacht mit dieser Sprechstunde. Ich habe ja niemanden gezwungen, zu mir zu kommen. Aber sie konnten es, wenn sie wollten.

Luis Durnwalder (rechts) bei der Stabübergabe an den Neuen – Arno Kompatscher – im Jänner 2014. - Foto: © Dlife-DA



STOL: Was war denn das Kurioseste, das Sie da erlebt haben?
Durnwalder: Da gab es eine Menge. Da sind zum Beispiel Eltern zu mir gekommen, weil ihre Kinder nicht das tun, was sie wollten. Da sind Leute gekommen, weil sie irgendwo auf der Welt Pilot werden wollten, aber weder das Geld noch die nötigen Beziehungen hatten. Da sind auch Leute zu mir gekommen, die mir einfach bestimmte Dinge mitteilen wollten, da sie der Meinung waren, ich sollte das wissen, auch wenn es nur um einen Nachbarstreit ging, oder der Nachbar mehr Beiträge erhalten hat als er selbst. Viele wollten es dem Luis einfach mal sagen. Ob diese Sprechstunde vernünftig war oder nicht, das kann ich nicht beurteilen. Es war jedenfalls ein Angebot an die Bürger.

Es geht nicht an, dass man privat geführte Gespräche unerlaubterweise und auch nur auszugsweise veröffentlicht.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Sie haben immer gesagt, Sie sind kein Heiliger. Was meinten Sie damit?
Durnwalder: Ich bin und war ein einfacher Bürger. Ich habe immer gesagt: „Ich bin ein Typ wie ihr. Ich bin kein Heiliger. Wenn ihr einen Heiligen wählen wollt, dann müsst ihr meine Mutter wählen.“ Sie hat auf dem Berg oben 11 Kinder aufgezogen mit 7 Stück Vieh. Ich selbst hatte zwar auch keine einfache Jugend, aber Heiliger war ich sicher keiner.

STOL: In den vergangenen Monaten gab es in Südtirol große Aufregung um abgehörte Telefonate von Politikern und Wirtschaftstreibenden, die dann später in Medien veröffentlicht wurden. Was sagen Sie dazu?
Durnwalder: Es geht nicht an, dass man privat geführte Gespräche unerlaubterweise und auch nur auszugsweise veröffentlicht. Diese Gespräche wurden meistens nur aus dem Zusammenhang gerissen und gedruckt. Das war sinnentfremdet.

Ich will weiterhin meine Meinung sagen können, ohne dass sie gleich danach in bestimmten Medien steht.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Zum Beispiel?
Durnwalder: Nachdem Landeshauptmann Arno Kompatscher bei den Landtagswahlen 2018 einiges an Stimmen verloren hatte, wurde spekuliert, dass er nicht mehr Landeshauptmann machen will und wird. Dann habe ich mit dem Thommy (Thomas Widmann, Anm. d. Red.) telefoniert und zu ihm gesagt: „Du horch Widmann, wahrscheinlich musst du antreten, wenn der Kompatscher nicht mehr kandidiert, da der Achammer noch zu unerfahren ist“. In einigen Medien es aber so gebracht worden, dass ich gegen Landeshauptmann Kompatscher wäre, dass ich gesagt hätte, der Widmann soll Landeshauptmann werden und dass ich gesagt hätte, der Achammer wäre zu schwach. Wenn man das gesamte Telefongespräch wiedergegeben hätte, dann würde man erfahren, was ich wirklich gesagt habe. Daher bin ich der Meinung, dass eine gewisse Privatsphäre garantiert werden muss. Ich will weiterhin meine Meinung sagen können, ohne dass sie gleich danach in bestimmten Medien steht. Daher kann ich das nicht gutheißen und hoffe, dass das nicht wieder vorkommt.

Luis Durnwalder mit Frau Angelika und Tochter Greta. - Foto: © Markus Perwanger



STOL: Sie sind zwar befangen, aber wer war oder ist Ihrer Meinung nach der beste Landeshauptmann Südtirols?
Durnwalder: Sie werden verstehen, dass ich darauf nicht antworten werde. Das steht nicht mir zu, das muss die Bevölkerung entscheiden. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Silvius Magnago alles dafür getan hat, um autonome Zuständigkeiten nach Südtirol zu bringen. Oftmals musste er dafür auch viel einstecken. Er ist der Vater der neuen Südtiroler Autonomie. Alle die danach gekommen sind oder kommen werden, müssen schauen, dass sie in diesem Fahrwasser der Zuständigkeiten das Bestmögliche machen.

Dass ich Mitschuld war, dass diese Ehe in die Brüche ging, das stimmt und das war ein großer Fehler von mir.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Herr Durnwalder, kann man ein solches Politikerleben, wie Sie es hatten, mit dem Privatleben überhaupt vereinbaren?
Durnwalder: Es ist sehr schwer. Ich habe auch die Zeche dafür zahlen müssen. Meine Ehe ging nach 25 Jahren die Brüche. Meine damalige Frau Gerda sagte zu mir: „Schau Lois, du bist jetzt mit der Politik verheiratet, die Kinder sind aus dem Haus und ich bin alleine.“ Dass ich Mitschuld war, dass diese Ehe in die Brüche ging, das stimmt und das war ein großer Fehler von mir. Darunter habe ich sehr gelitten und habe auch für meine Fehler bezahlt.

Das gesamte Gespräch mit Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder können Sie hier im STOL-Podcast nachhören.
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